Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
ohne es zu merken, wenn ich meine Hunde zu mir rief und mich darauf vorbereitete, etwas anderes von ihnen zu verlangen. Und da ich ihnen häufig als Erstes »Sitz« befahl, lernten meine Hunde schnell, dass gefalteten Händen normalerweise das Kommando »Sitz« folgt. Scheinbar beschlossen sie, dass sie sich und mir genauso gut Zeit sparen und sich auch gleich hinsetzen könnten. Jeder Hundebesitzer kann dafür täglich Beispiele finden. Vielleicht rennt Ihr Hund zur Tür, wenn Sie nach Ihrer Jacke greifen. Vielleicht haben Sie mit Ihrem Hund Fangen gespielt und jetzt stürmt er jedes Mal los, wenn sie sich nach vorn neigen. Die meisten Menschen bewegen die Hand oder einen Finger, wenn sie zu ihrem Hund »Sitz« sagen, auch wenn sie es nicht einmal merken. Aber Ihr Hund merkt es, und ihre Bewegung ist vielleicht sogar für ihn der allerwichtigste Hinweis.
Als ich berufsmäßig mit dem Training von Hunden und ihren Menschen begann, war eines der ersten Dinge, die mir auffielen, wie sehr sich die Besitzer auf ihre Lautäußerungen konzentrierten, während die Hunde offensichtlich auf die Bewegungen achteten. Diese Beobachtung brachte mich und zwei Studenten, Jon Hensersky und Susan Murray, zur Durchführung eines Experimentes, um zu sehen, ob Hunde beim Erlernen einer einfachen Übung stärker auf Laute oder stärker auf Sichtzeichen reagierten. Die Studenten brachten 24 Welpen im Alter von sechseinhalb Wochen 1 »Sitz« sowohl auf ein Piepsignal als auch auf eine Bewegung hin bei. Jeder Welpe wurde insgesamt vier Tage lang auf beide Signale gleichzeitig trainiert, aber am fünften Tag gab der Trainer jeweils nur noch ein Signal. In zufälliger Reihenfolge sahen die Welpen entweder die Handbewegung des Trainers oder hörten das Piepsignal zum Sitzen. Wir wollten herausfinden, ob eines der beiden Signale, das akustische oder das visuelle, zu mehr richtigen Reaktionen führte. Das tat es: 23 der 24 Welpen reagierten besser auf das Handzeichen als auf den Ton, während ein Welpe sich auf beides gleich gut hinsetzte. Die Border Collies und Aussies waren, wie Sie vielleicht geahnt haben, Stars bei den Sichtzeichen und reagierten bei 37 von insgesamt 40 Versuchen richtig (und nur bei 6 von 40 Versuchen richtig auf das Tonsignal). Der Dalmatinerwurf setzte sich bei 16 von 20 Handzeichen, aber nur bei vier von 20 Tonsignalen. Die Cavalier King Charles Spaniels zeigten die wenigsten Unterschiede zwischen Sicht- und Hörzeichen; sie reagierten bei 18 von 20 Versuchen korrekt auf das Sichtzeichen und bei 10 von 20 Versuchen korrekt auf das Hörzeichen. Wenn Sie einen Beagle oder einen Zwergschnauzer haben, wird es Sie nicht wundern zu erfahren, dass diese Welpen sich bei 32 von 40 Versuchen korrekt auf das Handzeichen hinsetzten, aber genau keinmal von den 40 Malen, als sie das Tonsignal hörten. Das haben Sie also davon, Ihren Beagle zu rufen, wenn er im Wald einem Kaninchen hinterher jagt.
Ich bin vorsichtig mit diesem Experiment, weil es hier schwierig ist, wissenschaftlich ganz exakt zu arbeiten. Solange Bewegung und Ton nicht vollständig automatisiert waren, konnte ich nicht garantieren, dass beide Signale genau gleich lang gegeben wurden. Waren die Welpen darauf prädispositioniert, stärker auf die Hand zu achten, weil die Trainer ihnen vorher aus der anderen Hand Leckerchen gegeben hatten? Wie konnten wir sicher sein, dass wir eine gleiche »Menge« oder Intensität von jedem Signal gaben? Eine größere Anzahl Welpen wäre besser gewesen, und so weiter und so fort. Die Trainer wussten allerdings nichts vom tatsächlichen Ziel des Experimentes (ich hatte ihnen gesagt, es ginge um Genetik und Geschlechtszugehörigkeit). Ich zeichnete die Trainingslektionen auf Video auf und fand heraus, dass Bewegung und Ton bis auf eine hunderstel Sekunde gleichzeitig begannen und endeten. Wir arbeiteten hart daran, den Test unter diesen Umständen so einwandfrei wie möglich zu gestalten. Wenn man in Betracht zieht, mit welcher Leichtigkeit Hunde visuelle Signale lernen und dass die Gehirne von Säugetieren generell selektiv auf bestimmte Reize über andere reagieren, bin ich der Meinung, dass die Ergebnisse aussagekräftig sind. Ironischerweise betonen viele Menschen oft die »erstaunliche« Fähigkeit ihrer Hunde, ein Handzeichen zu lernen, so als sei dies ein besonders fortgeschrittenes Verhalten. Dabei ist die Reaktion Ihres Hundes auf Ihre Stimme das wahre Wunder!
H EY, M ENSCH! I CH VERSUCHE D IR ETWAS ZU SAGEN!
So visuell
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