Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
Sekunden später.
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Manche Hundebesitzer sind von Anfang an brillant darin, ihren Hund zu lesen. Sie sind die »Naturtalente«, die Sorte von Mensch, die Tiere wie ein Magnet anzuziehen scheinen – Schneeweißchen im Wald, denen Rehe die Wangen schlecken und in deren Haare Vögel spielen. Und dann gibt es den Rest von uns, mich eingeschlossen, die einfach auf die altmodische Art und Weise etwas über Tiere lernen müssen, nämlich über das Üben. Eine Möglichkeit zu üben ist es, zu beobachten und aufzuschreiben, was Sie sehen. Künstler und Wissenschaftler kennen das: Wir sehen nicht wirklich etwas, bis wir unseren Verstand bemühen, es in Worte oder Bilder zu übersetzen. Werden Sie also zu Ihrer eigenen Jane Goodall. Nehmen Sie beim nächsten Hundespaziergang im Park ein Notizbuch mit und beginnen Sie zu beobachten, zu beschreiben und bestimmte Bewegungen Ihres Hundes festzuhalten. Konzentrieren Sie sich auf die Richtung, in die sich der Hundekörper orientiert, schreiben Sie es auf und versuchen Sie, eine Zeichnung davon anzufertigen. Registrieren Sie, ob seine Lefzenwinkel (die so genannten Komissuren) sich vor- oder zurückbewegen und schreiben Sie auf, wann das geschieht oder nicht geschieht. Blicken seine Augen »sanft« oder »hart«, wenn er einen anderen Hund trifft? Wie ändert sich seine Rutenhaltung, wenn er einen anderen Hund sieht? Ändert sie sich genauso, wenn er einem Menschen begegnet? Konzentrieren Sie sich immer nur auf ein Körperteil auf einmal; anderenfalls wird Ihr Gehirn mit Informationen überschwemmt und Sie können nicht wirklich auf eine bestimmte Aktion achten. Versuchen Sie, Ihre Notizen und Zeichnungen zusammen in einem Heft zu sammeln und lesen Sie öfter noch einmal durch, was Sie geschrieben haben.
Alternativ können Sie versuchen, einige Hunde auf Video aufzunehmen und das Band wieder und wieder in Zeitlupe abzuspielen. Vermutlich sind Sie überrascht, wie viel in einer kurzen Zeitspanne geschehen kann und wie viel Sie plötzlich sehen, wenn die Geschwindigkeit, in der die Handlungen ablaufen, herabgesetzt wird. Mit zunehmender Übung wird Ihr Gehirn besser darin, Änderungen im Verhalten zu beobachten und Sie entwickeln, was man ein »Suchbild« für eine bestimmte Körperhaltung nennt. Sie werden in der Lage sein, subtile Veränderungen wahrzunehmen, die so schnell geschehen, dass Ihre Freunde sie nicht einmal bemerken. Dies wird Ihnen ermöglichen, schneller und passender auf Ihren Hund zu reagieren. Ohne sonst noch etwas tun zu müssen, werden Sie zu einem besseren Hundetrainer, und fast wie durch Zauberei wird sich Ihr Hund besser benehmen.
M ENSCHEN ALS Z UFALLSGENERATOREN FÜR S IGNALE
Wenn wir Menschen verständlicherweise etwas langsam darin sind, auf die von unseren Hunden gesendeten visuellen Signale zu reagieren, so sind wir absolut schwer von Begriff bezüglich der Signale, die wir selbst generieren. Ihr Hund ist darin ein Profi: Er bemerkt so gut wie jede Ihrer kleinsten Bewegungen. Hier ein Experiment, das Sie selbst ausprobieren können. Konzentrieren Sie sich darauf, welche Signale Sie bewusst oder unbewusst an Ihren Hund senden. Es ist wirklich einfach, weil Sie nun der/die Handelnde sind und Ihr Hund der Beobachter. Ihre Aufgabe ist es, die visuellen Signale zu identifizieren, auf die Ihr Hund zu reagieren gelernt hat. Gehen Sie mit Ihrem Hund an einen ruhigen Ort, weg von der Betriebsamkeit des Alltags und anderer Hunde. Stellen Sie sich entspannt, aber unbeweglich hin und befehlen Sie Ihrem Hund »Sitz«, ohne irgendetwas anderes zu bewegen als Ihre Lippen. Mir fällt dabei immer als Erstes auf, wie schwer es mir fällt, mich nicht zu bewegen. Hat sich Ihr Kopf ein kleines bisschen gesenkt, als der Hund näher kam? Haben Sie Ihre Augenbrauen einen Millimeter weit angehoben? Alle diese Bewegungen kann Ihr Hund mit Leichtigkeit sehen und sie möglicherweise als Hinweis verstehen. Jetzt setzen Sie sich auf den Fußboden, hören Sie so gut Sie können damit auf, sich zu bewegen und befehlen Sie Ihrem Hund »Sitz«. Jetzt verlassen Sie den Raum und sagen »Sitz«, wenn Ihr Hund Sie nicht sehen kann (linsen Sie durch den Türspalt oder bitten Sie einen Freund zu beobachten, was der Hund tut).
Jetzt befehlen Sie Ihrem Hund »Sitz«, wie Sie es sonst immer tun. Bewegen Sie sich ungezwungen und lassen Sie Ihren Körper das tun, was er normalerweise tut. Zweifellos werden Sie sich irgendwie bewegen. Sorgen Sie sich bei diesem Spiel
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