Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
zu werfen, auf Mitsy zu, beugte sich zu ihr herab und versuchte, ihr das Leckerchen zu reichen. Der dritte Mann beugte sich nicht nur zu ihr, er stürzte beinahe über sie. Vielleicht hätte ich stärker darauf achten müssen, dass wir hinter einem Bordstein standen ...
Mit Ausnahme des Bordsteinfluges war das, was unsere Helfer taten, etwas für alle Menschen ganz Natürliches. Obwohl jeder von ihnen genau meine Anweisung gehört hatte, dass sie drei Meter vor dem Hund stehen bleiben und das Leckerchen werfen sollten und jeder von ihnen zustimmend genickt hatte, versuchte jeder, bis zu ihr hinzugehen und seine Hand zu ihr auszustrecken. Ich musste sie alle drei körperlich abblocken, denn ich wusste, wenn sie zu nahe kämen, würde Mitsy Angst bekommen und genau das Falsche lernen. (»Jou, ich hab‘s gewusst. Männer sind echt gefährlich.«). So höflich, aber so schnell wie möglich bewegte ich mich vor sie, um sie zu stoppen und grinste wie ein Idiot, um mein Verhalten abzumildern. Meine Arbeit lehrt einen die Kunst, wie man Menschen freundlich herumschubst. Etwas mehr erfordert es natürlich, wenn die andere Person eine comicreife Imitation eines Betrunkenen mit Wackelbeinen abliefert und letzten Endes wie ein Sack über Ihnen hängt, während Sie versuchen, Mitsy mit »Braaaaves, Mädchen, so ein braaaaves Mädchen« zu beruhigen und gleichzeitig dem Besitzer aus dem anderen Mundwinkel zuzuzischen »Gehen Sie langsam weg, aber bitte jetzt sofort!«
Für Tierverhaltensforscher und Hundetrainer ist es frustrierend, dass das Verhalten von Menschen so schwer zu beeinflussen ist, aber genau das macht auch Sinn. Weil wir Menschen sind und eben keine Hunde, wissen wir nicht intuitiv, wie Hunde unsere Signale interpretieren. Auch wenn wir uns bewusst sind, was wir mit unserem Körper tun, schauen wir durch einen Primatenfilter, während sie auf den Canidenkanal geschaltet sind.
B EGRÜSSUNG AUF C ANIDEN- UND P RIMATENART
Stellen Sie sich vor, Sie gehen die Straße entlang, sehen einen Bekannten und freuen sich, ihn zu treffen. Was tun Sie? Die meisten von uns rufen seinen Namen, winken vielleicht, um Aufmerksamkeit zu erregen und gehen geradewegs auf ihn zu. Besonders höflich ist es, ihm beim Näherkommen direkt ins Gesicht zu sehen und zu lächeln. Wenn Sie nahe genug sind, um ihn zu berühren, strecken Sie vielleicht Ihre Hand aus, um die seine zu schütteln oder schlingen beide Arme in einer herzlichen Umarmung um seine Brust. Vielleicht bewegen Sie auch Ihr Gesicht direkt auf das seine zu und küssen ihn auf die Wange. Das Allerhöchste an Freundlichkeit ist es, tief in seine Augen zu sehen und ihn direkt auf den Mund zu küssen. Mmmmmh, so schön und liebevoll. Allerdings nicht, wenn Sie ein Hund sind. Diese ach-so-freundliche Primatenannäherung ist in der Hundegesellschaft absolut ungezogen. Sie könnten genauso gut auf den Kopf eines Hundes pinkeln.
Direkte Annäherungen mit dem Kopf voran können für Hunde bedrohlich sein, besonders für scheue bei der Begegnung mit unbekannten Menschen oder Hunden. Beobachten Sie, wie sich zwei gut sozialisierte, aber einander unbekannte Hunde im Park begrüßen. Der höflichste aller Hunde nähert sich von der Seite an, vielleicht in einem 90-Grad-Winkel. Sie vermeiden direkten Blickkontakt. Zwei Hunde, die sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen und sich gegenseitig in die Augen starren, bedeuten hingegen ein Problem – ein großes Problem, das ich manchmal bei Fällen von Aggression gegenüber anderen Hunden sehe. Zwar können sich auch Hunde gelegentlich mit dem Gesicht voran begrüßen, aber es ist nicht höflich und führt zu Spannung, manchmal zu Aggression. 2 Wenn wir auf Primatenart geradewegs und Gesicht voran auf Hunde zugehen, reagieren diese oft, als würden sie bedroht. Ich muss inzwischen Tausende von Hunden gesehen haben, die sich wohl fühlen, wenn man bei der Begrüßung neben ihnen steht und sie zu sich kommen lässt, die aber aggressiv bellen, sich nach vorne werfen und möglicherweise sogar beißen, wenn man direkt auf sie zugeht, direkt in ihre Augen starrt und mit der Hand über ihren Kopf tätschelt. Höfliche Hunde vermeiden nicht nur direkte Annäherungen, sie begrüßen unbekannte Hunde auch nicht, indem sie ihnen ihre Pfote über den Kopf patschen.
Buchstäblich Hunderte von Kunden haben mir tränenreich Szenarien beschrieben, die dem mit Mitsy Erlebten glichen. Sie bewegen sich mit Hunden auf der Straße, die Angst vor Fremden
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