Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
unserem Kommando bereits gefolgt ist. »Sitz, sitz, sitz«, sagt Bob, wobei das dritte »Sitz« kommt, als Max bereits sitzt. Hundetrainer gehen kopfschüttelnd vom Platz und wissen nicht, wie sie den Besitzern noch erklären sollen, dass sie ein Kommando nur einmal geben sollen.
Ein Beispiel für diese dumme Wiederholung kann ich von mir selbst berichten, als ich mit der Hütehundarbeit an Schafen begann. Wenn wir vom Nervöswerden sprechen: Stellen Sie sich vor, auf einer riesigen Weide zu stehen und Ihren Hund frei um Fluchttiere herum laufen zu lassen, die bis zu dreißig Stundenkilometern schnell sein können. Ihr Job ist es, den Hund davon abzuhalten, dass er die Schafe über den Zaun, in den Zaun oder in Grund und Boden jagt. In manchen Situationen beginnen die Schafe auch den Hund zu jagen. Was auch geschieht, dem unerfahrenen Hund und dem unerfahrenen Hundebesitzer sind Adrenalinschübe sicher. Sobald die Lage begann, sich zuzuspitzen, gebrauchte ich (wie die meisten Neulinge in der Hütehundarbeit) »Lie Down!« viel zu häufig – als eine Art Notbremse, um den Lauf der Dinge aufzuhalten und mir klar zu werden, was als Nächstes zu tun wäre. (Schafehüten mit Hunden kann man sich wie Schach mit lebendigen Figuren vorstellen, bei dem man nur Mikrosekunden Zeit hat, den nächsten Zug zu machen). »Lie Down!«, schrie ich, unmittelbar gefolgt von »Lie DOWN! LIE DOWN!« In kürzester Zeit hatte ich so meinem ersten Border Collie Drift beigebracht, sich ausschließlich auf »Lie Down, lie DOWN, LIE DOWN!« hinzulegen. Nach allem, was ich weiß, wartete er auf das vollständige Kommando, bevor er reagierte, denn es gab für ihn keine Möglichkeit, herauszufinden, was das eigentliche Grundsignal war.
Als ich im Rahmen der Recherchen zu meiner Doktorarbeit Tonbandaufnahmen von nicht englisch sprechenden Tiertrainern machte, fiel mir auf, wie schwierig es ist, die tatsächliche Kerneinheit eines Kommandos herauszufiltern. Wenn ein baskischer Schäfer in den kaum voneinander unterscheidbaren Konsonanten seiner Sprache drei kurze Tonfolgen sagte, dann eine kleine Pause machte und das gleiche wiederholte, war er schwer, exakt herauszufinden, was das »Signal« war. Waren es drei kurze Tonfolgen oder vier? Wenn sich alle drei anhörten wie »grph«, konnte ich daraus noch nicht unbedingt schließen, ob »grph grph grph« das Gleiche bedeutete wie »grph«, nur eben dreimal gesagt. Ich grübelte und raufte mir die Haare, stöhnte und seufzte in dem Versuch herauszufinden, was genau nun die Kommandos des Schäfers waren – und das, obwohl man mich als Mitglied einer intelligenten Spezies bezeichnet.
Die Neigung von Hundeführern zur Wiederholung von Signalen ist überwältigend stark. Gehen Sie zu irgendeiner beliebigen Hundeschule und Sie werden hören, wie Hundebesitzer wieder und wieder »Hier« oder »Sitz« sagen, während der Trainer mit zusammengebissenen Zähnen grinst und gerade gesagt hat »Achten Sie darauf, nur einmal Sitz zu sagen.« »Bitte, bitte, bitte, (sagen wir wiederholt), versuchen Sie es dieses Mal nicht drei- oder viermal zu sagen!«
Warum verspüren wir Menschen einen so starken Zwang, uns zu wiederholen und Worte aneinander zu reihen wie Perlen auf einer Schnur? Mitglieder einer Spezies, die solche sprachlichen Genies wie Shakespeare oder Goethe hervorgebracht hat, müssten doch in der Lage sein, mit unsinnigem Geschwätz aufzuhören. Oft tun wir das aber eben nicht, und ich nehme nicht an, dass es daran liegt, dass wir alle Idioten sind (auch wenn wir oft so aussehen, wenn wir uns mit unseren Hunden beschäftigen). Sicherlich muss eine so starke und universale Verhaltenstendenz etwas widerspiegeln, das über bloße Gedankenlosigkeit hinausgeht. An dieser Stelle kann es wieder einmal nützlich sein, wenn wir uns selbst als Primaten betrachten. Schauen Sie sich einmal Filmaufnahmen von Schimpansen an. Unser engster tierischer Verwandter liebt es, Töne zu wiederholen. »Uuu,« sagt er. »Uuu Uuu Uuu,« kommt als Nächstes. Und nicht nur Schimpansen: Die meisten Primaten bringen Vokalisationen hervor, in denen ähnliche Klänge immer wieder wiederholt werden. Aufgeregte Totenkopfäffchen füllen die Luft mit einer Vielfalt von Geckern, Gackern und Schnattern. Braune Kapuzineraffen lassen »hehs« und »huhs« in schnellen Kadenzen aufeinanderfolgen. Die Lisztäffchen, die ich mit Charles Snowdon studierte, quitschen »iiiii«, wenn sie einen Leckerbissen wie zum Beispiel einen schmackhaften
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