Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
Mehlwurm entdecken, aber mit steigender Aufregung verwandelt sich das schnell in eine ganze Kaskade von »iii, iii, iii, iii, iii«.
W ENN ES NICHT GLEICH KLAPPT, WERDEN S IE EINFACH LAUTER !
Wir hören einfach nicht auf, uns um unsere Hunde herum zu wiederholen. Und wir neigen dazu, dabei immer lauter zu werden. Wir sagen nicht einfach »Sitz, sitz, sitz«, sondern »Sitz, SITZ, SIITZZ!« Und das ist nicht nur so, wenn wir zu unseren Hunden sprechen. Sprachwissenschaftler haben herausgefunden: Wenn wir zu jemanden sprechen, der beim ersten Mal nicht verstanden hat, was wir gesagt haben, neigen wir dazu, genau das gleiche noch einmal zu wiederholen, nur lauter.
Eine Studentin der Universität von Wisconsin in Madison und ich fanden heraus, dass Menschen mit ihren Hunden genau das gleiche tun. Für ihre schriftliche Abschlussarbeit bat Susan Murray die Besitzer in Welpentrainingskursen, ihre Hunde ins »Sitz« zu befehlen. Wenn der Welpe nicht nach der ersten Aufforderung reagierte, wiederholte der Besitzer genau wie bei der zwischenmenschlichen Kommunikation das Signal, und zwar in zwei Dritteln aller Fälle lauter als vorher.
Wir benehmen uns, als ob die Lautstärke an sich irgendwie die Energie hervorbringen könnte, die wir brauchen, um unsere Hunde zu einer Reaktion zu veranlassen. Diese Tendenz zum Lauterwerden scheint ein integraler Bestandteil unseres Primatenerbes zu sein. Nur wenige Tiere (Papageien vielleicht ausgenommen) können mit einem aufgebrachten Primaten mithalten, wenn es an die reine, ohrenbetäubende Geräuschproduktion geht. Die kleinen Lisztäffchen, mit denen ich arbeitete, konnten gut und gerne mit ihren durchdringenden Rufen die Wände zum Wackeln bringen, wenn sie glaubten, dass ein Mitglied ihrer Gruppe in Gefahr war. Der Krach war so ohrenbetäubend, dass es beinahe unmöglich war zu denken, solange man sich im gleichen Raum befand. Unsere engsten Verwandten, Schimpansen und Bonobos, sind berühmt für ihre im Crescendo ansteigenden Rufe, wenn sie emotional erregt sind. Aber bei Schimpansen haben Lautäußerungen nicht nur mit Aufregung zu tun. Innerhalb einer Schimpansengruppe, in der sich die Männchen stets darüber bewusst sind, wer dominant ist und wer nicht, kann einen die Fähigkeit zum lauten Radaumachen schneller die soziale Leiter hinaufklettern lassen als der Kauf eines neuen BMW. Jane Goodall beschreibt den kometenhaften Rangaufstieg des Schimpansen Mike, der lernte, sein lautes Schreien bei Dominanzgesten mit dem Umwerfen eines Haufens Blechkanister zu steigern. Der Radau beeindruckte die anderen Männchen so, dass sie sofort die Reihen wechselten und unterwürfig zu ihm überliefen. Mike wurde zum dominanten Männchen. Seine Fähigkeit, das Lautstärkeniveau einer Rockband zu erreichen, schien eine wichtige Rolle in seinem Machtstreben gespielt zu haben.
Auch wir benutzen Schallwellen und werden von selbst immer lauter, wenn wir nicht bekommen, was wir möchten. So, als ob wir etwas nur mit der Energie, die wir in unsere Stimme legen, geschehen lassen könnten. (Denken Sie daran, wie hart Sie daran gearbeitet haben, Ihrem Kind beizubringen, am Telefon stehend nicht immer lauter »Mama« zu schreien, sondern den Hörer hinzulegen und Sie holen zu gehen). Aber Hunde reagieren nicht wie Primaten. Ein lautes Geräusch kann sie zwar sicher erschrecken und ihre Aufmerksamkeit wecken, aber es erweckt nicht notwendigerweise ihren Respekt.
Bellende Hunde sind oft ängstliche Hunde, und je lauter sie werden, desto mehr sind sie in Panik. Denken Sie daran, dass bei Wölfen Bellen relativ selten ist, vor allem bei erwachsenen. 2 Von erfahrenen, selbstbewussten erwachsenen Wölfen hört man Bellen selten. Meist bellen nur die juvenilen Wölfe, in der Regel als Reaktion auf eine Situation, die heranwachsende Wölfe als bedrohlich empfinden. Tatsächlich ist die universale Tendenz erwachsener Hunde zum Bellen eines der vielen Verhaltenskennzeichen dafür, dass Hunde im Grunde eine jugendliche Version erwachsener Wölfe sind. Das Bellen scheint an zwei verschiedene Empfänger gerichtet zu sein. Einer davon ist natürlich der Eindringling (»Ich seh’ dich. An mir kommst du nicht vorbei. Pass lieber auf.«), aber Bellen richtet sich auch an den Rest des Rudels (»Verstärkung bitte! Ärger an der Westgrenze!«). In der Regel kommt das Rudel dann angerannt und reagiert auf das Gefahrsignal ihres Rudelmitgliedes.
Hunde, die mir das Blut in den Adern gefrieren lassen, sind dagegen
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