Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
Selektion, würde aber argumentieren, dass beide Prozesse gleichzeitig stattgefunden haben könnten. Für uns am anderen Ende der Leine bedeutsam ist, dass selbst erwachsene Hunde, aus welchem Grund auch immer, eine ganze Reihe von Eigenschaften haben, die mit juvenilen Caniden assoziiert werden können – einschließlich einer bemerkenswerten Verspieltheit.
Und wir Menschen, verspielt und kindisch bis ins hohe Alter, spielen so lange mit unseren Hunden, bis wir beide erschöpft aufs Sofa sinken und nicht mehr können. Diese Neigung hat zu der Annahme geführt, dass Menschen pädomorphe Primaten seien. Dies ist nicht unbedingt eine neue Hypothese – ein Mann namens John Fiske brachte sie schon 1884 vor – aber sie bleibt weiterhin vernünftig. Mehr als nur unsere verspielte Natur legt nahe, dass die ewige Jugend in unserer Evolution eine Rolle gespielt haben muss. Ein entscheidendes Merkmal des Menschen ist seine Kreativität, der Wille, Neues auszuprobieren und neue Wege der Interaktion mit unserer Umwelt zu finden – alles Merkmale, die normalerweise typisch für Kinder sind.
Insgesamt betrachtet sind die Jungen unserer Spezies und die der meisten Säugetiere viel schneller darin, Veränderungen zu akzeptieren, als ihre Eltern. Es ist nicht nur bei Menschen so, dass die Älteren über die Offenheit der Jugend gegenüber Veränderungen die Stirn runzeln. In einem heute berühmten Experiment hatten Wissenschaftler Süßkartoffeln in eine Gruppe von Rotgesichtsmakaken eingeführt. Die jungen, nicht die erwachsenen Tiere begannen als erste, das neue Futter zu fressen, schließlich gefolgt von einigen älteren Erwachsenen. Ein unternehmungslustiges, zwei Jahre altes Weibchen namens Imo lernte, in den Ozean zu waten, um den Sand von ihrer Kartoffel abzuwaschen. Später erfand sie eine ähnliche Technik, bei der sie eine Hand voll Weizenkörner aus dem Sand sammelte und sie auf die Wasseroberfläche warf. Der Sand ging unter und die Körner schwammen oben, frisch, sauber, fein gesalzen und fertig zum Einsammeln und Essen ohne das unangenehme Gefühl von Sand zwischen den Zähnen. Dieses Verhalten wurde nach und nach von der Gruppe übernommen, mit Ausnahme der sehr jungen Tiere, denen noch das motorische Geschick fehlte, um die Körner einzusammeln und der sehr alten, die kein Interesse an den neumodischen Ideen der Jugend zu haben schienen.
Aber obwohl Menschen geistig offener und flexibler sind, solange sie jung sind, so sind doch auch erwachsene Menschen aus einer breiten Perspektive betrachtet im Vergleich zu den Erwachsenen anderer Spezies unheimlich flexibel. Man könnte argumentieren, dass ein Teil unseres erstaunlichen Erfolges als Spezies mit unserer Fähigkeit zu tun hat, auf neuen Wegen mit unserer Umwelt in Kontakt zu treten. Unsere Liebe zum Spiel geht mit dieser Flexibilität Hand in Hand und ist eines der entscheidenden Merkmale unserer engen Beziehung zu Hunden. Wir beide lieben es, neue Wege zum miteinander Spielen zu finden, ganz besonders mit diesen seltsamen, runden Objekten, die man Bälle nennt.
S PIEL B ALL !
Zwei junge Rotfüchse, die in einem Bau hinter meiner Scheune zur Welt gekommen waren, trabten eines Abends in den Hof und fesselten meine Aufmerksamkeit, als sie eine Art Bockspringen über und um eine Hecke veranstalteten. Während das Weibchen auf die rechte Seite der Hecke sauste, lag das Männchen flach auf den Boden gedrückt in Lauerstellung auf der anderen Seite und sprang los, wenn seine Schwester auftauchte. Manchmal konnte oder wollte der Auflauerer auch nicht warten, hopste geradewegs steil nach oben über die Hecke und landete auf dem Rücken seines Spielgefährten. Das veränderte das Spiel kurzfristig in einen Ringkampf, aber schnell kehrten beide wieder zu ihrer Version von »Hasch mich« zurück. Sie spielten minutenlang so, während ich kaum atmend und bewegungslos am Fenster stand. Irgendwann bemerkte ich einen Tennisball, der etwa fünf Meter außerhalb ihres Spielkreises lag. Ich erinnere mich deutlich, wie ich mich fragte, was sie wohl mit ihm anstellen würden, wenn sie ihn fanden. Nicht viel, wenn überhaupt etwas, nahm ich an. Sie hatten keine Erfahrung mit Bällen als Spielobjekten und waren außerdem mit anderen Spielen beschäftigt. Aber gerade als ich dachte »Wäre es nicht toll, wenn einer von ihnen den Ball aufheben würde?« tat einer von ihnen genau das. Er hob den Ball ohne Zögern auf, senkte den Kopf vorbereitend nach unten und zur Seite und
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