Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
der Handhabung von Gegenständen, besonders im Aufbrechen von Schlössern.
Während des ersten Lebensjahres ist das objektgerichtete Spielen bei allen Primaten, menschlich oder nichtmenschlich, praktisch das gleiche. Bis zum Alter von zwölf Monaten gehen die meisten menschlichen und nichtmenschlichen Primaten bei der Untersuchung von Gegenständen in ihrer Umgebung gleich vor: Wir beriechen, berühren und stecken alles in den Mund, was sich in den Mund stecken lässt. Aber nur schwanzlose Affen (Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang Utans) und Kapuzineräffchen wurden bei Spielen beobachtet, in denen auch das Werfen eines Gegenstandes vorkam. Nur diese Affen und Menschen, sollte ich eigentlich sagen, denn unsere eigenen Kinder sind große Meister darin, irgendwelche Dinge unwillkürlich von sich zu schleudern, gewöhnlich auf den Küchenboden. Erst ab dem achten oder neunten Monat beginnen menschliche Kinder damit, absichtlich Dinge fallen zu lassen oder aufzuheben – um dann, wie alle Eltern wissen, nicht mehr genug davon zu kriegen.
Diese bei Menschen und Hunden vorhandene Neigung, mit Dingen wie Bällen zu spielen, ist fest in unserer Naturgeschichte als Primaten und Caniden verankert. Aber wie immer stellt die »Natur« (unser genetischer Entwurf) hier nur die Grundlage für ein Fundament, auf dem die Umgebungseinflüsse aufbauen. Wie wir aufwachsen, bestimmt, wie wir spielen, ob mit Gegenständen oder nicht. Hunde, die aus tierquälerischer Haltung in steriler Umgebung gerettet wurden, spielen oft überhaupt nicht mit Spielsachen.
Einer meiner traurigsten Fälle betraf eine Gruppe von Hunden, die ihr ganzes Leben lang an kurzen Ketten in einer dunklen Scheune angekettet gewesen waren. Es hätte Ihnen das Herz zerrissen, wenn Sie diese Hunde gesehen hätten. Nach einem ganzen Jahr Therapiearbeit in der Fox Valley Humane Association im nördlichen Wisconsin (die Hunde konnten nicht an neue Besitzer vermittelt werden, solange die rechtlichen Fragen nicht alle geklärt waren) waren die Hunde Fremden gegenüber immer noch so ängstlich, dass manche von ihnen sich vor Panik »in die Hose machten«, wenn ich den Raum betrat. Neben dieser blanken Angst vor fremden Menschen war das auffälligste Verhalten dieser Hunde ihr komplettes Desinteresse an Spielsachen. Sie spielten nicht mit Bällen, kauten nicht auf Büffelhautknochen und ignorierten nach einem flüchtigen Beschnüffeln jeden Gegenstand, den man in ihren Zwinger legte.
Dieses mangelnde Interesse am Spiel mit Gegenständen ist fast bei allen Hunden vorhanden, die in reizarmer Umgebung aufgewachsen sind und ist nicht zu verwechseln mit dem Desinteresse meiner Hündin Mist, die einfach nur kein natürliches Talent zum Apportieren hatte. Im Gegensatz zu den dauerhaft verhaltensgeschädigten Hunden aus der Scheune nagte Mist mit Vergnügen an Kauspielzeugen und hatte einige Spielsachen, die ihr Spaß machten. Welpen, die in völlig reizloser Umgebung aufgezogen werden, wie es oft bei Massenzüchtern der Fall ist, entwickeln sich oft zu Erwachsenen, die niemals mit irgendetwas spielen, weder mit Gegenständen noch mit Kauknochen, Bällen oder Frisbeescheiben. Vielleicht gibt es eine »entscheidende Phase« für das Objektspiel, genauso wie für die Sozialisation, in der Hunde darauf programmiert werden, wie und mit was man spielt.
Dieser Einfluss der Umwelt auf das Spiel ist nicht nur bei Hunden vorhanden. Obwohl die Grundmuster, wie Kinder mit Gegenständen spielen, universell sind, scheint die Komplexität ihres Spiels von den angebotenen Möglichkeiten beeinflusst zu werden. Frauen in Kulturen von Jägern und Sammlern haben keinen Kindergarten um die Straßenecke, aber eine Menge Arbeiten zu erledigen, zu denen sie beide Hände und viel Konzentration brauchen. Aus purer Notwendigkeit verbringen die meisten Kinder ihre ersten Lebensjahre in einer um Mamas Rücken oder Brust gebundenen Trageschlinge aus Stoff. Indem sie ihre Kinder an den Körper binden, können die Mütter nicht nur weiter arbeiten, sondern schützen auch ihre Kinder vor Gefahr. Kinder, die »angebunden« an die Mutter aufwachsen, haben nur begrenzte Möglichkeiten zum Spielen mit Gegenständen in ihrer Umgebung und zeigen im späteren Leben eine voraussagbar geringere Häufigkeit und Komplexität von Objektspiel.
Eine wunderschöne Ausnahme sind die Kinder der Kung-Kultur, die zwar auch den ganzen Tag lang an ihre Mütter gebunden sind, aber mit deren reich verzierten, üppigen
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