Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
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Meine Border Collie Hündin Pip ist ein gutes Beispiel dafür. Als Welpe einer Verhaltensforscherin und Hundetrainerin lebte sie ständig ein sehr geselliges Leben. In ihren ersten sieben Lebensmonaten lernte sie in den Trainingsstunden und bei Besuchen eine Riesenmenge von Menschen und Hunden kennen. Eines Tages aber, im Alter von acht Monaten, versteckte sie sich hinter meinen Beinen, als sich ihr ein fremder Mann näherte – so, als hätte sie noch nie in ihrem Leben einen Mann gesehen. Da ich bereits bei Hunden meiner Kunden in diesem Alter eine gewisse Vorsicht beobachtet hatte, handelte ich sofort, bevor es zu Schwierigkeiten kommen konnte. Während der nächsten paar Monate bat ich jeden erreichbaren Mann, ob er Pip einen Tennisball hinwerfen könnte, bevor er ihr näher als fünf Meter kam. (Als ich davon kürzlich einmal bei einem Seminar berichtete, sagte ich, »Drei Monate lang gingen jedem Mann, den sie traf, Bälle voraus.« Ich wünschte, ich könnte absichtlich genauso komisch sein wie unabsichtlich). Heute himmelt sie Männer an und ist der Meinung, dass alle Kerls, denen sie begegnet, nur zum Ballspielen mit ihr gekommen sind.
Ich habe so viele zutrauliche Welpen im Jugendlichenalter ängstlich werden gesehen, dass ich dieser Tendenz schließlich einen Namen gab, »juvenil einsetzende Scheu«. Dieses Verhalten ist nicht zu verwechseln mit der natürlichen, frühen »Angstperiode« von zunehmend mobiler werdenden jungen Caniden, die sie als lebenswichtige Vorsicht bei der Annäherung an die Welt um sie herum entwickeln. Dies hier sind Welpen, die relativ selbstbewusst sind, bis sie an einen wichtigen Stolperstein ihrer Entwicklung geraten und als Teenager vorsichtig werden. 2 Weil diese Vorsicht bei manchen Hunden zu angstbedingter Aggression werden kann, müssen alle Hunde während (mindestens) ihres ersten Lebensjahres gut sozialisiert gehalten werden.
Ihr Welpe muss mit anderen Hunden genauso wie mit Menschen sozialisiert werden. Es reicht nicht, dass Sie zuhause einen zweiten Hund haben oder dass der Nachbarshund jeden Tag mit Ihrem Welpen spielt. Soziale Tiere wie Hunde und Menschen haben einen starken Sinn für »bekannt« und »unbekannt«, und Hunde müssen lernen, dass es ein Teil des Normalen im Leben ist, unbekannte Menschen und Hunde zu treffen. Sobald ich zu sehen begann, wie Hunde die Welt in »bekannt« und »unbekannt« unterteilen, war ich als Verhaltensforscherin in der Lage, viel mehr von ihrem Verhalten zu verstehen. Nehmen Sie zum Beispiel den armen kleinen Calvin. Er hatte keine Erfahrung im Umgang mit anderen Hunden außer seinen Wurfgeschwistern, bis er ein Jahr alt war und Mary ihn erwarb. Aus seinem ruhigen Apartment wurde er dann noch in der Hundeschule in einen kleinen Raum mit zwölf stürmischen, bellenden Hunden gebracht, um Erziehung zu lernen. Er war völlig verängstigt und benutzte, als er älter wurde, Drohgesten, um andere Hunde auf Distanz zu halten.
Als ich für meine Doktorarbeit zum Thema Hundeverhalten recherchierte (lange vor meiner Tätigkeit als Hundetrainerin), wusste ich noch nicht, wie wichtig die Unterscheidung zwischen bekannt und unbekannt ist. Ich hatte gerade einen neuen Border Collie Welpen namens Mist, war aber so bis über die Ohren mit den Anforderungen des Studiums beschäftigt, dass ich sie nicht zu Welpenspielstunden oder Orten mit freundlichen, ihr unbekannten Hunden aller Größen und Formen brachte.
Sie traf jede Menge Leute und war zu kleinen Kindern genauso vertrauenswürdig wie jeder andere Hund, den ich je hatte. In Zwölf- oder Vierzehn-Stunden-Tagen arbeitete ich mit Hunden für die Uni und dachte, dass meine übrigen fünf Hunde zuhause auf der Farm genug seien, um Mist zu sozialisieren. Zu dieser Zeit hatte ich Bo Peep, meine erste Pyrenäenberghündin, und vier weitere Border Collies. Es war ein beeindruckendes Rudel. Mist lebte mit ihm, spielte mit ihm und schlief mit ihm im Haus. Aber in diesem ersten Jahr ihres Lebens traf sie nur sehr wenige fremde Hunde. Als sie älter wurde, war Mist Hunden gegenüber aggressiv, die sie nicht kannte.
Mists Verhalten war nicht nur ein Ergebnis ihrer früh erlebten Umgebung: Sowohl bei Menschen als auch bei Hunden ist Verhalten immer eine komplexe Interaktion zwischen Vererbung und Umwelteinflüssen. Mist war mit Tendenzen auf die Welt gekommen, die das Problem noch schlimmer machten. Wie viele andere Hundebesitzer auch fand ich Wege, um ihr Verhalten drastisch zu
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