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Das Archiv

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Titel: Das Archiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frank
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Horowitz aus dem Jahre 1936. Die Welt war in Ordnung für ihn.

 

    XIII
    Für Bill sah die Welt sehr unordentlich aus. Er schlenderte zur selben Stunde zu Fuß durch die Innenstadt. Es gab da vieles, über das er nachdenken mußte. Keine sehr erfreulichen Dinge. Sein Schulfreund Kilian gefiel ihm ganz und gar nicht. War es ein Fehler gewesen, sich mit ihm einzulassen? Aber wer sonst konnte Rossmaneks Aufzeichnungen übersetzen?
    Vorerst mußte er zu Hammerlang gehen und beichten. Das blieb ihm nicht erspart. Bill ging in eine Telefonzelle und rief an. In einer halben Stunde werde er vom Polizeirat erwartet, sagte die Sekretärin.
    Er war angenehm überrascht von der Herzlichkeit, mit der ihn Hammerlang begrüßte. Sie tranken Kaffee und rauchten und plauderten über alles mögliche. Der Polizeirat schien keine Eile zu haben, zur Sache zu kommen. »Man nannte auch das Doppel in der Branche, damals«, sagte er. »Fast hätte ich gesagt, in der guten alten Zeit. So gut war die Zeit ja gar nicht, seien wir ehrlich. Aber wir waren halt jünger, das machte alles für uns leichter.« Der Polizeirat lächelte einen Augenblick, was selten vorkam. »Die neue Generation, ich verstehe sie nicht. Was die für Sorgen haben! Eine Zweitwohnung, ein noch größeres Auto, noch mehr Freizeit, Urlaub in Mallorca. Diese Erfolgsgeneration!« Bill stimmte zu.
    »Herbert und ich waren froh, wenn wir den Halbjahresbeitrag für den Tennisklub bezahlen konnten«, sagte er. »Aber haben wir damals die Alten verstanden, den Rossmanek etwa? Und wissen Sie, Herr Polizeirat, ich war jetzt zehn Jahre weg. Ich dachte, das sei nur drüben so, in den Staaten. Popmusik, daß einem das Trommelfell platzt, Hasch, Sex, Herumgammeln – ziellos –, keine Ideale, ein verrotteter Schweinestall. Ich kannte ein Mädel in Brooklyn, ein hübsches, blondes Ding, die schlief mit so einem Scheißneger, nur weil sie Angst hatte, sonst als Rassistin zu gelten.« Bill wurde lauter: »Die Alten schreien nach einem neuen Hitler, der mit dem Saustall aufräumt. Mir tut das weh, ein Hitler ist keine Lösung. Aber so kann das doch nicht weitergehen. Wollen Sie, Herr Polizeirat, hier Verhältnisse haben wie in Brooklyn? Wünschen Sie sich das nicht und ihren Kindern. Aber machen Sie hier so weiter mit Ihrer Häftlingspflege, mit Ihrem demokratischen Kriminalhumanismus. In zehn Jahren sind Sie soweit.« Man konnte es Hammerlang ansehen, daß er so etwas nicht zum ersten Mal hörte. Bill berichtete dann von den Ereignissen der letzten Wochen. Er erzählte alles wahrheitsgetreu, der Polizeirat machte sich Notizen. Nur die russischen Stenogramme Rossmaneks und Erich Kilian verschwieg er. Ansonsten hielt er sich in seinem Bericht streng an die Tatsachen. Die Befragung dauerte fast zwei Stunden. »Ich habe Ihnen alles gesagt«, Bill versuchte, ein ehrliches Gesicht zu machen. Es gelang nicht ganz. »Alles nicht«, meinte der Polizeirat, aber es klang nicht böse. Bill war erleichtert.
    »Sehen Sie sich einmal diese Fotos an, erkennen Sie jemanden darauf?« Auf dem Schreibtisch lagen fünf Fotografien, Bill warf einen Blick darauf. »Den Alten kenn’ ich«, sagte er, »das muß Graf oder Baron Sednitzky sein. Alter polnischer Adel. Nach dem Krieg verkaufte er den Amis den unglaublichsten Schund an Informationen. Damals hatte er Kontakte zu den Exilpolen in London. Ein alter Geheimschmattler, ich hielt ihn schon vor fünfzehn Jahren für senil. Er muß lange tot sein.«
    Hammerlang hatte wieder seinen traurigen Blick: »Sie hielten nicht viel von ihm, oder?«
    »Gar nichts hielt ich von ihm«, erinnerte sich Bill. »Den alten Baron kannte jeder in der Nachrichten-Branche. Ein paar Mal sah ich Sachen von ihm, alles wertloses Zeug, Machinationen aus Zeitungen und Rundfunkmeldungen. Hab’ mich immer gewundert, wovon der Alte eigentlich gelebt hat, seine Infos waren nicht das Schreibpapier wert.«
    »Er lebt noch«, sagte Hammerlang, »und scheinbar ganz gut. Und er verkauft noch immer Informationen.« Bill wunderte sich.
    Er könne sich einfach nicht vorstellen, daß jemand dem Baron dieses Zeug für gutes Geld abkaufe. »War ihr Freund derselben Ansicht?« unterbrach der Polizeirat. Langsam wurde Bill mürrisch. »Wir waren immer einer Ansicht in geschäftlichen Dingen.« Der Polizeirat seufzte enttäuscht.
    »Nach dem Tode ihres Freundes meldete sich Graf Sednitzky bei mir. Er gab an, ihr Freund habe ihn kontaktiert und ihm Material angeboten, gegen eine hohe Summe. Der Graf

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