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Das Archiv

Das Archiv

Titel: Das Archiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frank
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war interessiert, sie sollten sich wieder treffen. Dann kam der Mord dazwischen.«
    »Ausgeschlossen«, sagte Bill laut. »Das sind die Angaben des Grafen.«
    »Nie im Leben! Herbert hätte einen Mann wie den Sednitzky nicht einmal mit einer Feuerzange angefaßt. Ganz undenkbar, daß er mit ihm ins Geschäft kommen wollte.«
    »Das will ich ja gerade herausfinden.« Der Polizeirat sah ihm in die Augen. »Es war Archivmaterial des alten Rossmanek, das ihr Freund angeboten hatte. Angeblich«, fügte er hinzu. Bill war ein wenig betroffen. »Herbert hätte sich eher in ein Wespennest gesetzt, als Sednitzky auch nur Feuer für eine Zigarette anzubieten«, sagte er schließlich wütend.
    »Der Graf ist Nichtraucher. Aber Spaß beiseite, warum sollte Sednitzky eine solche Geschichte erfinden?«
    »Vielleicht will er sich wichtig machen, was weiß ich.«
    »Wie kommt er dann auf die Idee, ein Rossmanek-Archiv zu erfinden. Oder gibt es ein solches Archiv?« Hammerlangs Augen vermittelten Bill ein Gefühl des Unbehagens. Er belog ungern Menschen, die er mochte. Er wolle das nicht ausschließen, meinte er fast entschuldigend, man kannte doch den alten Hofrat. Ein privates Archiv anzulegen, wäre ihm zuzutrauen. Aber Herbert sollte den Grafen Sednitzky kontaktiert haben? Ganz ausgeschlossen. Hammerlang nickte. »Schauen wir uns das an.« Er ging zu einem Fernsehschirm und drückte auf einen Knopf. Ein Bild erschien, deutlich, schwarzweiß. Bill sah Sednitzky in einem Sessel sitzen, einem Kriminalbeamten gegenüber. Ein zweiter Knopfdruck von Hammerlang, und man konnte das Gespräch mithören.
    »Erinnern Sie sich doch bitte, Graf, versuchen Sie sich an alle Einzelheiten zu erinnern«, sagte der Beamte gerade. »Die Szene spielt hier im Haus«, erklärte der Polizeirat, »mit etwas Glück wissen wir bald mehr.«
    Bill murmelte etwas Anerkennendes über die technischen Fortschritte der Polizei und daß es so was zu Rossmaneks Zeiten noch nicht gegeben habe. Hammerlang hörte ihm nicht zu und starrte auf den Bildschirm. Es wurde klar, daß der Beamte Einzelheiten von der Begegnung zwischen dem Grafen und Herbert Winkler erfahren wollte. Ob viele Gäste in dem Lokal gewesen seien, ob ein Mann oder eine Frau bedient habe, was konsumiert worden sei, wie lange sie miteinander gesprochen hätten, was der ermordete Herbert Winkler genau gesagt habe. Der Graf gab vage Antworten, und man merkte, daß er diese Antworten schon wiederholt gegeben hatte. Ob Sednitzky sich erinnern könne, wie Herbert Winkler gekleidet war? Der Graf konnte sich nur ungenau erinnern. Ein Anzug eben, grau oder braun. Ob ihm an Herbert Winkler etwas Besonderes aufgefallen sei? Etwas Außergewöhnliches? Nein, Sednitzky hob die Schultern, er sah nicht gerade glücklich aus. Nichts Außergewöhnliches.
    Ein Telefon läutete, und der vernehmende Beamte sagte ein paar Worte in die Muschel. Er müsse für fünf Minuten kurz weg, erklärte er, ob der Graf so freundlich wäre, inzwischen zu warten?
    Der Graf war so freundlich. Der Kriminalbeamte verließ das Zimmer, seine Akte ließ er auf dem Tisch liegen. Bill gähnte verstohlen und sah Hammerlang an. Der Polizeirat blickte auf den Bildschirm, sein Gesicht war angespannt.
    Der Graf sah auf seine Uhr, stand auf und streckte sich. Er ging zur Tür, dann zum Schreibtisch und sah gelangweilt auf den Aktenumschlag, der dort lag. »Na komm schon«, sagte der Polizeirat leise.
    Vorsichtig hob der Graf den Aktendeckel. Er blätterte in den Seiten. Dann setzte er sich wieder und wurde nachdenklich. Der Kriminalbeamte kam zurück, entschuldigte die Unterbrechung, und das Frage-Antwort-Spiel begann von neuem. Bill gähnte wieder, aber der Polizeirat war so konzentriert, als beobachte er einen spannenden Krimi. Der Beamte tippte nun die Angaben des Grafen auf einer Schreibmaschine. Nein, also nichts Auffallendes habe der Graf an Herbert Winkler feststellen können. Oder doch – eine Kleinigkeit vielleicht? Der Graf zögerte, als überlege er. Wenn er sich recht erinnere, habe Herbert Winkler an einer Hand einen Verband getragen. Oder einen Gips, das wisse er nicht mehr so genau. Auch nicht, welche Hand es gewesen sei. Der Kriminalbeamte tippte nun ganz schnell. Auf solche Kleinigkeiten käme es aber an, belehrte er. Kleinigkeiten seien oft sehr wichtig für die Polizei. Der Beamte schien erfreut, daß sich der Graf nun doch an die Gipshand erinnern konnte, der Graf auch. Hammerlang schaltete das Gerät aus. »Na bravo«, sagte

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