Das Arrangement
Manchmal handelte es sich auch um den Versuch, die Tat zu vertuschen, doch jeder Täter kam zurück. Auch wenn er den Tatort lediglich im Geist noch einmal aufsuchte, er wurde von ihm angezogen. Immer. Ausnahmslos. Und die meisten Täter kamen höchstpersönlich.
An diesem Morgen war das nicht anders. Tony hatte nur auf einen Verdächtigen gehofft. Zu sehen bekam er drei, vielleicht sogar vier.
Der Ort, an dem sein Bruder Butch ermordet worden war, war das Tidebecken, das versteckt in einer Senke, von einem Eichenwäldchen umzäunt hinter Josephine Hazeltons Cottage lag. Seit seiner Rückkehr hatte Tony ein Auge auf das Haus. Ihm war sofort aufgefallen, dass sich niemand darin aufhielt. Von der nächsten Nachbarin hatte Tony erfahren, dass Gramma Jo seit einem Monat nicht mehr dort wohnte, doch wo die alte Frau sich aufhielt, wusste sie auch nicht.
An diesem Morgen war Tony aufgefallen, dass irgendetwas im Haus vor sich ging, und hatte beschlossen, so lange auf seinem Posten zu bleiben, bis sich jemand zeigte. Es waren keine fünfzehn Minuten vergangen, als er mit Freude beobachten konnte, wie Alison Fairmont angefahren kam und aus dem Wagen stieg.
Natürlich zählte Alison für ihn bereits zum Kreis der Verdächtigen, aber ihr merkwürdiges Verhalten an diesem Morgen bestätigte diesen Verdacht weiter. Für Tony war es ein klares Zeichen von Schuldgefühl, als Alison vor ihrem BMW-Cabrio stehen blieb, auf Josephine Hazeltons baufälliges Haus starrte und heulte, als würde ihr das Herz brechen.
Tony hatte sich in der Senke neben dem Tidebecken versteckt. Er hatte gewartet, dass Alison zur tatsächlichen Szene des Verbrechens herüberkommen würde, doch vielleicht war ihr Schuldgefühl zu quälend, um das zu tun. Oder vielleicht hatte sie ebenfalls bemerkt, dass jemand im Haus war. Er hätte nie gedacht, dass Alison auch ein Gewissen besaß. Ihre Tränen überraschten ihn ein wenig.
Er beobachtete, wie sie die Treppe zur Veranda hochstieg. Plötzlich überschlugen sich die Ereignisse. Kaum hatte Alison an die Tür geklopft, als Bret Fairmont schon aus dem Hinterausgang stürzte. Im Laufen versuchte er hektisch, seinen erigierten Penis in der Hose zu verstauen, was nicht gerade einfach war.
Nicht alle Ermittler hätten Bret auf die Liste der Tatverdächtigen gesetzt, aber Tony hatte kein Problem damit, diesen Gedankensprung zu vollziehen. Sex am Tatort oder in dessen Nähe zu haben, gehörte zu einigen der merkwürdigen Handlungen von Kriminellen, vor allem wenn die Tat auch sexueller Natur gewesen war. Man hatte keine Spuren von sexuellem Missbrauch bei Butch gefunden, doch das hieß nicht, dass es sich bei seinem Mörder nicht vielleicht um einen Homosexuellen handelte, der ihn getötet hatte, nachdem er abgewiesen worden war. Das würde noch mehr Sinn ergeben, wenn Bret ein Homophober wäre, der seine sexuellen Neigungen verdrängte. Tony wusste nicht, ob Bret schwul war, doch als ernsthafter Ermittler musste er alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.
Er hatte sich schnell an einer Stelle versteckt, von der aus er eine bessere Sicht auf die vordere Eingangstür hatte. Er verfluchte sich, weil er keine Kamera dabeihatte. Gerade gingen ihm ein paar wunderbare Erpresserfotos durch die Lappen. Er hätte sie benutzt, um an Informationen zu gelangen, nicht an Geld, aber er hätte sie benutzt.
Offensichtlich hatte Alison ihren Bruder nicht gesehen, als er durch den Hinterausgang geflohen war. Sie hämmerte weiter gegen die Tür und wirkte dabei beinahe wütend. Tony wartete darauf, dass ein weiterer Mann mit offenen Hosen Bret folgen würde, doch das geschah nicht. Stattdessen erschien eine Frau am Eingang. Frauen kehrten sehr selten an den Tatort zurück, um dort Sex zu haben, aber diese vielleicht doch.
LaDonna Jeffries? Verdächtige Nummer drei?
Es sah langsam aus wie ein Klassentreffen.
Tony konnte nicht dicht genug herankommen, um ihre Unterhaltung zu verfolgen, doch er bemerkte die Spannung in ihrer Gestik. LaDonna hatte die Arme verschränkt und das Kinn erhoben, eine klassische Abwehrhaltung. Alison sah zuerst wütend aus und dann merkwürdigerweise betroffen. Tony wusste, dass die beiden keine Freundinnen waren, aber als Feindinnen kannte er sie auch nicht. Während er sie so beobachtete, war er sich dessen jedoch nicht mehr sicher.
Die Unterhaltung endete ziemlich abrupt, Alison schien es eilig zu haben, wegzukommen. LaDonna verließ das Haus, kurz nachdem Alison abgefahren war. Sie rannte in ihren
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