Das Arrangement
setzen.
Eine weitere Welle hob sie in die Luft. Sie segelten wie der “Flying Dutchman”, als ein Crewmitglied plötzlich wild gestikulierte. “Dort!”, schrie er und zeigte nach Südosten. “Die Felsriffe! Seht zu den Riffen hinüber!”
Andrew konnte nichts erkennen und wusste nicht, was der Mann meinte. Vor den Felsen lag eine dichte Nebelwand, und bevor er zum Mast zurückgelangte, war die Bladerunner bereits wieder in einem tiefen Wellental versunken. Das Wasser schwappte wie eine hohe Mauer über sie, doch als sie sich auf den nächsten Wellenkamm erhoben, bemerkte er, dass die Gewässer im Südosten ruhiger wurden. Der Sturm schien an ihnen vorübergezogen zu sein, weiter hinaus in den Pazifik.
Inmitten der dunklen zerklüfteten Felsen erblickte er einen hellen Punkt. Andrew dachte nicht an die Gefahr, als sie darauf zu segelten. Die Wellen krachten noch immer heftig über sie herein, doch er war wie gebannt von dem, was sich immer deutlicher als ein menschlicher Körper abzeichnete. Der Schiffsmotor den man zur Verstärkung gegen den Wind angeworfen hatte, um besser wenden zu können, heulte laut auf. Es war nicht nötig, dass Andrew den Lotsen instruierte. Der wusste genau, was zu tun war.
Je näher sie dem Felsen kamen, desto sicherer wurde Andrew, dass es sich tatsächlich um einen Menschen handelte, eine Frau. Entweder tot oder ohne Bewusstsein. Sie lag zwischen den scharfkantigen Steinen im flachen Wasser. Sturm und Wellen hatten ihr offensichtlich die Kleidung regelrecht vom Körper gerissen, sie war fast nackt. Es sah so aus, als habe sie sich an einem riesigen Stück Treibholz verfangen, das sie davor rettete, hinaus ins offene Meer getrieben zu werden.
Sie war schrecklich zugerichtet. Andrew wurde fast übel, als er bemerkte, dass ihr Gesicht nur noch aus einer einzigen blutigen Wunde bestand. Er konnte nur mit Mühe erkennen, wo sich ihr Mund und die Nase befunden hatten. Ihre Gesichtszüge waren nicht mehr auszumachen. Das Treibholz hatte sie zwar über Wasser gehalten, doch nicht davor bewahrt, gegen die Riffe geschleudert zu werden.
Andrew und seine Crew beeilten sich, ein Rettungsboot herunterzulassen. Rasch kletterten sie hinein und fuhren auf die Stelle zu. Auch als er direkt vor ihr stand, konnte Andrew sie nicht identifizieren, so entstellt war sie durch ihre Verletzungen. Wie gebannt starrte er sie an. Plötzlich glaubte er zu sehen, wie sie ihre Hand leicht anhob. Lebte sie?
Während sie den fast leblosen Körper der Frau bargen, bemerkte er, womit sie sich im Treibholz verfangen hatte – ein breites goldenes Armband, ein altes Geburtstagsgeschenk von ihm an Alison. Andrew wusste nicht, ob er vor Erleichterung oder Entsetzen erschauerte. Er hatte seine Frau gefunden.
Andrew war schon fast so weit, das Nichtraucher-Schild von der Wand zu reißen. Jedes Mal, wenn er sich umdrehte, starrte er direkt auf diese Tafel, die ihn daran erinnerte, wie sehr er sich nach einer Zigarette sehnte. Er hatte vor über einem Jahr beschlossen, das Rauchen aufzugeben, ohne sich darüber im Klaren zu sein, wie abhängig er war. Früher hatte er eine Schachtel pro Tag geraucht. So hatte es auch mehrere Monate gedauert, bis die Sucht schließlich etwas nachließ. Jetzt überfiel sie ihn erneut mit aller Macht – und dieses Schild sorgte dafür, dass er sie keine Sekunde vergaß.
Zurzeit war er wohl der einzige Süchtige, der in der VIP-Lounge des Providence Saint Joseph's auf und ab lief. Als Konzertveranstalter kannte Andrew diese Art von Wartezimmer. Den Reichen und Berühmten musste man immer gut ausgestattete Aufenthaltsräume bieten. Das traf auch auf Krankenhäuser zu. In diesem hier arbeitete tagsüber eine Empfangsdame, es gab Kaffee gratis, Gourmetsnacks und Flachbildfernseher. Man hatte ihm als Besucher sogar ein Zimmer angeboten, um sich schlafen zu legen. Doch dafür war Andrew viel zu aufgedreht. Er konnte sich denken, womit er diese Sonderbehandlung verdient hatte. Nicht umsonst hatte er letztes Jahr das Krankenhaus mit zehntausend Dollar unterstützt.
Er sah auf die Uhr. Es war sechs Uhr morgens, und er wartete darauf, Neues über Alisons Zustand zu erfahren. Sie war bereits zwölf Stunden im OP, und Andrew hatte seit drei Uhr nichts mehr gehört. Da hatte man ihm mitgeteilt, dass seine Frau wahrscheinlich fähig sein werde, ein normales Leben weiterzuführen. Allerdings würde es noch ein paar Stunden dauern, ihr Gesicht zu rekonstruieren.
Außerdem hatte man ihn vorgewarnt,
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