Das Atmen der Bestie (German Edition)
sprechen.«
»Sollen wir uns zum Mittagessen treffen?«
»Warum nicht? Ich komme zum Buchladen und hole dich ab.«
»Rufst du mich an, wenn du weißt, wie es Bryan geht? Ich wäre dir dankbar.«
»Na klar.«
Ich legte den Hörer auf. Eine Weile dachte ich über das nach, was Jane mir gesagt hatte, aber dann schüttelte ich den Kopf und lächelte. Sie liebte Geister, Zauberei und Monster. Sie hatte mich einmal mitgezerrt, um die ganzen alten, originalen Horrorfilme wie Dracula mit Bela Lugosi und Frankenstein mit Boris Karloff anzusehen. Irgendwie war der Gedanke, dass Jane an Geister und Monster im Haus 1551 Pilarcitos glaubte, sehr beruhigend. Das weckte den gutherzigen männlich-väterlichen Chauvinisten in mir. Vielleicht hatte ich sie allein aus diesem Grunde mit dorthin genommen. Wenn Jane an so etwas glaubte, dann konnte es nicht wahr sein.
Das Telefon läutete wieder, als ich mich gerade rasierte. Mit schaumbedecktem Kinn nahm ich den Hörer ab, wie der Weihnachtsmann, der eine Bestellung für das Spielzeug des nächsten Winters entgegennimmt.
»John? Ich bin’s, James Jarvis. Sie wollten zurückgerufen werden.«
»Oh, hallo. Ich wollte nur wissen, wie es Bryan Corder geht.«
Einen Moment blieb es still. »Sein Herz schlägt noch immer.«
»Glauben Sie nicht, dass er weiterleben kann?«
»Das ist schwer zu sagen. Ich wünsche es ihm besser nicht. Auf keinen Fall könnte er wieder in die Welt hinausgehen. Er müsste den Rest seines Lebens unter einem keimfreien Sauerstoffzelt liegen. Das gesamte Gehirn liegt frei, und jede Infektion würde ihn umgehend töten.«
Mit dem Handrücken wischte ich mir den Schaum vom Mund. »Können Sie nicht den Stecker herausziehen und ihn einfach sterben lassen? Ich glaube, dass ich Bryan gut genug kenne, um zu sagen, dass er so nicht weiterleben möchte.«
»Nun«, sagte Dr. Jarvis, »das haben wir.«
»Sie haben was?«
»Wir haben die Systeme zur Lebenserhaltung entfernt. Er bekommt kein Plasma, kein Blut, keine intravenöse Ernährung oder Beruhigung, kein Adrenalin, keinen elektronischen Herzschrittmacher, nichts mehr. Medizinisch müsste er schon seit Stunden tot sein.«
Er schwieg wieder und ich hörte jemanden sein Büro betreten und etwas Unverständliches sagen. Dann meinte Dr. Jarvis: »Das Problem ist, John, dass sein Herz noch immer schlägt und nicht aufhört. Wie schwer seine Verletzungen auch immer sind, ich kann seinen Tod nicht bestätigen, bevor er nicht tot ist.«
»Wie ist es mit Euthanasie?«
»Das ist ungesetzlich. Und so schwer Bryans Verletzungen auch sind, ich kann es nicht tun. Ich nehme schon genug Risiko auf mich, indem ich ihn von den Lebenserhaltungsgeräten trenne. Das kann mich meine Lizenz kosten.«
»Hat seine Frau Moira ihn gesehen?«
»Sie weiß, dass er einen Unfall hatte, mehr nicht. Wir tun natürlich alles, um sie fernzuhalten.«
»Was ist mit Dan Machin? Irgendeine Besserung?«
»Er liegt immer noch im Koma. Aber warum kommen Sie nicht her und sehen sich das selbst an? Ich könnte etwas moralische Unterstützung gebrauchen. Ich konnte hier mit niemandem über die vergangene Nacht reden. Die sind alle so verdammt vernünftig, sie würden doch glauben, dass ich zu einer Sekte oder so was gehöre.«
»Okay. Geben Sie mir eine halbe Stunde.«
Ich rasierte mich, zog mir meine ausgewaschenen Jeans und ein rotes Hemd an, dann bespritzte ich mich mit etwas Rasierwasser. Es ist erstaunlich, was ein Kleiderwechsel für die geistige Verfassung bedeuten kann. Ich machte noch mein Bett, spülte das Kaffeegeschirr, warf Dolly Partons Bild, das in meiner kleinen Diele hing, einen Kuss zu und ging hinunter auf die Straße.
Es war einer von diesen strahlenden Morgen, an denen man die Augen weit aufreißt, um mehr zu sehen. Der blaue Himmel und die vereinzelten weißen Wolken stärkten in mir ganz deutlich die Gewissheit, dass das Leben auch ganz normal sein kann und dass der Unfall in der letzten Nacht nur eine abseitige, bittere Laune der Natur gewesen war.
Ich ging bis zur Straßenecke und winkte mir ein Taxi. Ich hatte früher mal selbst ein Auto besessen, aber all die anfallenden Kosten vom Gehalt eines Angestellten bei der Gesundheitsbehörde bezahlen zu wollen, war wie der Versuch, einen verstopften Kanal mit einer Zahnbürste zu reinigen. Am Ende hatte das Inkassoinstitut einen Mitarbeiter gesandt, der an einem dunstigen Morgen erschien und mit meinem metallicblauen Monte Carlo im Nebeltreiben verschwand. Erst als er fort
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