Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
Mishrak, die Stadt der Nacht, denn Torak schämte sich seiner Entstellung, und das Licht der Sonne bereitete ihm Pein.
Die Angarakaner bauten ihm einen großen, ehernen Turm, auf daß er darin wohnen konnte und daß ihre Gebete und der Duft von Räucherwerk und der Rauch der Opferfeuer zu ihm emporsteigen und seine Pein zu lindern vermöchten. Und er ließ die eherne Truhe in das oberste Turmgemach bringen, und oft stand er vor der Truhe und streckte seine makellose Hand danach aus, als wolle er das Juwel berühren.
Sein verbliebenes Auge sehnte sich danach, es zu betrachten; dann aber floh er weinend aus dem Gemach, bevor sein Verlangen übermächtig werden konnte und er die eherne Truhe öffnete und sein Ende fand.
So geschah es tausend Jahre und noch einmal tausend Jahre lang im Land der Angarakaner, das die Menschen Mallorea nannten. Und die Angarakaner nannten den entstellten Gott mit der Zeit KALTORAK, ein Name, der zugleich König und Gott bedeutete. Die sechs anderen Götter waren mit ihren Völkern nach Westen gezogen und teilten sich auf. In den Süden und Westen, in düstere Urwälder und schlammige Flüsse begab sich der Schlangengott mit seinem Schlangenvolk. Nedra brachte die seinen in das fruchtbare Land nördlich des Urwaldes. Chaldan führte sein Volk, die Arender, an die nordwestliche Küste. Und Mara fand eine Heimstatt in den Bergen über der tolnedrischen Ebene.
Doch Aldur zog sich schwermütig über den Verlust des Auges und das Unheil, das sein Juwel über die Welt gebracht hatte, in das Tal zurück, das an den Quellen des Flusses der Götter lag und seinen Namen trug, und er entzog sich den Blicken der Menschen und Götter – und niemand kam in seine Nähe außer Belgarath, sein ältester Jünger.
Nun geschah es, daß Belar, der jüngste der Götter und Aldurs liebster Bruder, sein Volk nach Norden führte und Tausende und Abertausende von Jahren nach einem Weg suchte, die Angarakaner zu unterwerfen und das Auge zurückzuholen, auf daß Aldur wieder aus seinem Turm käme und Menschen und Götter aufs neue in Freundschaft vereint wären.
Und das Volk der Alorner, das Volk Belars, des Bärengottes, war verwegen und kriegerisch und kleidete sich in Bärenhäute und Felle von Wölfen und in Hemden aus geschickt ineinander gefügten Stahlringen, und gewaltig waren die Schwerter und Äxte, die sie schmiedeten. Und sie streiften durch den Norden – ja, selbst ins Land des ewigen Eises wagten sie sich, um einen Weg nach Mallorea zu ihren alten Feinden zu finden und sie zu vernichten und Aldur das Auge zurückzubringen. Und stolz hob jeder alornische Krieger auf seinem Weg ins Mannesalter sein Schwert oder seine Axt zu den ewigen Sternen empor, und dabei rief er seine Drohungen hinaus und verfluchte Torak mit Donnerstimme. Selbst in seinem ehernen Turm in Cthol Mishrak vernahm der entstellte Gott die Rufe und sah das kalte Licht des Nordens auf den Schwertklingen der Krieger funkeln. Da wuchs die Pein Kal-Toraks um ein Zehnfaches, und sein Haß auf seinen jüngsten Bruder und die unerschrockenen Krieger, die ihm folgten und ihre Drohung selbst den Sternen entgegenschleuderten, fraß an seiner Seele.
Von allen Königen der Alorner war Cherek mit den breiten Schultern der tapferste und der listigste, und er begab sich ins Aldurstal, um Belgarath aufzusuchen, den Jünger Aldurs. Und er sprach zu ihm: »Nun sind die Wege in den Norden offen, und ich habe sehr tapfere Söhne. Die Zeichen und Runen sind gut. Die Zeit ist reif, unseren Weg in die Stadt der ewigen Nacht zu suchen und dem Räuber das Auge zu entreißen.«
Doch Belgarath verließ das Tal nicht gerne, denn seine Frau war guter Hoffnung und die Stunde ihrer Niederkunft nicht fern. Doch Cherek behauptete sich, und des Nachts stahlen sie sich davon und trafen hoch im Norden auf die Söhne Chereks. Der älteste wurde Dras genannt, und stark war er und geschickt. Der zweite Sohn hieß Algar; er war schnell wie der Wind und kühn. Und der Name des jüngsten war Riva; er war reinen Herzens und unerschütterlich und nichts, was er in die Hand nahm, konnte ihm mehr entkommen.
Wisset, die Zeit der Dunkelheit lag über dem Norden, und es war die Zeit des Schnees und des Eises und des Nebels; und die Moore des Nordens glitzerten in der todbringenden Kälte unter den Sternen von Rauhreif und Eis. Und Belgarath der Zauberer nahm die Gestalt eines großen dunklen Wolfes an und schlich auf lautlosen Pfoten durch die dunklen, schneebedeckten Wälder
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