Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
größten und schrecklichsten Macht. In Kummer müßten wir die Worte sprechen – ›Sei Nicht‹ –, und unser Bruder Torak wäre nicht mehr, wie auch diese wunderschöne Welt nicht mehr wäre. Leitet daher wohl das Kind und den Mann, welcher der Berufene ist, und bereitet ihn auf seine große Aufgabe vor. Denn wisset, sollte er fehlen, wird Torak Herr werden über alles, und meine Stimme muß sich mit den Stimmen meiner Brüder vereinen, um das letzte Wort zu sprechen – ›Sei Nicht‹ –, das alles ungeschehen macht, was wir schufen. Und wenngleich die Trauer mich so beugen würde, daß es die Kraft eurer Vorstellung sprengt, werde ich all meinen Geist und meinen Willen in dieses schicksalsschwere Wort biegen, und diese Welt wird schimmern und vergehen wie der Tau des Morgens in der Hitze der Mittagsglut.
So lasse ich die Welt in euren Händen, meine Söhne. Fehlt nicht in eurer Pflicht mir gegenüber und gegenüber der Welt.
Ich werde gehen und schöne Täler bei den Sternen suchen und schattige Pfade zu fernen Sonnen; und so alles seinen guten Weg nimmt, werdet ihr zu mir kommen, wenn eure Pflicht erfüllt ist. Und indem er das sagte, wandte Aldur sich ab und stieg auf in den mit Sternen bestickten Himmel, und kein Mensch nahm ihn jemals wieder gewahr –
DAS BUCH ULGO*
ANMERKUNG Dies ist die im Süden Tolnedras gefundeneAbschrift des umstrittenen Werkes. Bestimmte kritische Einzelheiten unterscheiden sie von den sieben anderen bruchstückhaft erhaltenen Abschriften. In Gelehrtenkreisen wird dieses Schriftstück als verfälschtes Werk aus dritter Hand ohne historischen oder theologischen Wert erachtet. Es ist jedoch die einzige vollständig erhaltene Abschrift, und nur in diesem Exemplar finden wir Hinweise, die zum Verständnis der rätselhaften Ulgos beitragen. Wie dieses Schriftstück in den Besitz der Dryaden im südlichen Tolnedra gelangte, ist allerdings ein Rätsel.
Kaum hatten wir dieses Heilige Buch in Angriff genommen, erkannten wir allerlei Möglichkeiten, die unsere ursprüngliche Absicht, einen Hintergrund für Relg zu schaffen, weit übertrafen. Und als wir die Ulgos in die Dalaser, Melcener, die Morindim und die Karander aufteilten, hatten wir einen Großteil der nichtangarakanischen Bevölkerung Malloreas erschaffen.
Am Anfang aller die Welt aus der Tage, als die launischen Götter Dunkelheit wirk els ein Geist, der ten, lebte in der Stille des Himm als UL bekannt war. Mächtig war er, doch er bediente sich seiner Macht nicht, als die jüngeren Götter ihre Kraft vereinten, um die Sonne hervorzub ingen, die Welt zu formen und auch den Mond. Alt war UL und weise, doch er behielt seine Weisheit für sich, und so blieb die Schöpfung der jungen Götter unvollkommen. Aber sie trotzten ihm, und da er sich ihnen nicht anschließen wollte, wandten sie sich von ihm ab.
Es geschah, daß die jüngeren Götter die Lebewesen erschufen, vierbeinige Tiere, Vögel, Schlangen, Fische und schließlich den Menschen.
Aber da UL seine Weisheit für sich behielt, war ihre Schöpfung nicht vollkommen. Viele Wesen waren unansehnlich und mißgestalt. Da bedauerten die jungen Götter ihr Werk und versuchten ungetan zu machen, was sie geschaffen hatten, auf daß alles auf der Welt schön und ansehnlich sei.
Der Geist UL jedoch hob die Hand und hinderte sie daran, und sie konnten nicht ungeschehen machen was sie geschaffen hatten so
ungeschlacht oder mißgestalt es auch war. Und er sprach zu den jungen Göttern und sagte: »Wisset, was ihr geschaffen habt, dürft ihr keinesfalls ungeschehen machen, denn in eurer Torheit habt ihr den Stoff des Himmels und den Frieden darin zerrissen, damit diese eure Welt ein Spielzeug zu eurer Unterhaltung sei. Wisset jedoch, was immer ihr auch macht, und sei es noch so ungeziemend oder ungestalt, als Bild eurer Torheit fortbestehen wird.
Denn an dem Tag, an dem auch nur ein einzig Ding ungeschehen gemacht wird, wird alles Geschaffene ungeschehen.« *
*
Hier stoßen wir auf dieses Verbot, aber es ist noch nicht ausgereift. Es entwickelte sich letztendlich dahin, daß die Worte ›Sei Nicht‹ nicht die ganze Welt auslöschen, sondern nur die Person, die so töricht ist, sich dieser Worte zu bedienen. Primitive Mythologien wimmeln von ›verbotenen Worten‹
Darauf waren die jüngeren Götter erzürnt, und im Zorn sagten sie zu jedem mißgestalten oder ungeziemenden Wesen »Gehe zu UL, er soll dein Gott sein.« Und UL schwieg.
Die jüngeren Götter erschufen die
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