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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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haben Gesichter ... Mit Blut wird alles geschrieben ... Dies ist das Ende. Und, oh, ja, der Anfang vielleicht.
„Er ist völlig durchgedreht. Und nirgends ein Wort darüber, was er gefunden hat.“
„Eines ist komisch an den Notizen“, sagte Ellen. „Sieh mal, hier klingt er noch einigermaßen klar. Und dann wechselt es sprunghaft zu diesen letzten Worten. Da redet eindeutig ein Verrückter. Dazwischen gibt es eine Lücke.“
Auch Leonard fand keine Erklärung dafür. Er gab die Überlegungen zunächst auf und überließ sich der sachten Bewegung des Bootes. Die bedrückende Reglosigkeit des Urwaldes umfing sie. In den Nächten in dieser menschenleeren Einsamkeit überkam Leonard eine Ahnung davon, woher Ninis absurde Ängste rührten. Die kreischenden Stimmen, die das Dunkel ausspuckte, mal näher, mal weiter entfernt, klangen, als stammten sie von etwas Gestaltlosem, das nicht lebte . Um sie herum breiige Luft, erfüllt mit unaufhörlichem Geraschel, Schlurfen und Gluckern.
Die Trägheit der Tage und die nervenaufreibenden Nächte endeten, als sie die Einmündung des Tazo erreichten. Schlagartig, als hätte jemand einen Vorhang beiseite gezogen, änderte sich die Szenerie. Das Flüsschen wand sich durch eine Schlucht, die dem Sonnenlicht für den längsten Teil des Tages verwehrte, bis auf den Grund zu dringen. Jenseits beider Ufer stieg das dicht bewachsene Gelände zunächst sanft an, sich zu runden Hügeln aufbäumend. Dahinter ragten Bergkämme steil in die Höhe. Der Tazo, einst ein mächtiger Strom, hatte sich durch den Stein gefressen und dieses tief eingeschnittene Tal geformt. Bei der Einfahrt in die Schlucht verstummten die Laute des Tages. Als sei alles Lebende von diesem Ort verbannt. Dieser beängstigende Effekt legte sich sogar über das Knattern des Bootsmotors, verspannte ihre Sinne.
„Aho!“
Die Entdeckung des Bootsführers befreite sie aus der Gefangenschaft der zermürbenden Stille. Zwischen wild wuchernden Würgefeigen schimmerten die gelben Ziegel eines drei Meter hohen, kegelförmigen Gebildes. Eine primitive Miniaturpagode.
„Ist es das?“
„Höchstwahrscheinlich“, antwortete Leonard. „Werden wir schnell herausfinden.“
Sie stiegen aus dem Boot und untersuchten den Kegel. Durch ein kopfgroßes Loch leuchteten sie in das Innere. Dort wie auch auf der Außenseite gab es weder Markierungen, Symbole oder Verzierungen.
„Ihr Alter ist schwer zu schätzen“, meinte Ellen. „Der Form nach mindestens 1500, vielleicht sogar 2000 Jahre.“
Leonard überprüfte die Karte.
„Wenn dies die erste Marke ist, befindet sich die zweite keine hundertfünfzig Meter weit. Wir müssen im rechten Winkel vom Flusslauf in den Wald hinein.“
Mühselig hackten sie sich den Weg durch das Unterholz, einen sacht steigenden Hang hinauf. Der glitzernde Flusslauf verschwand rasch hinter dichtem Blatt– und Strauchwerk. Zur Orientierung bedienten sie sich der Hilfe von Lillifields Kompass. Nach einer halben Stunde schweißtreibender Arbeit entdeckten sie voraus einen Steinhaufen zwischen den Bäumen. Es erfüllte beide mit einem Hochgefühl. Auch dies stellte sich als rohe Ziegelpagode heraus, identisch mit der am Flussufer.
„Sie sind es. Sie sind es tatsächlich“, rief Ellen aus. „Die Karte stimmt.“
So abscheulich sein Charakter sein mochte, Conleys Fähigkeiten als Kartograf waren beachtlich. Die Übertragung der Maße auf das Stückchen Seidenpapier stellte eine Meisterleistung dar. Die Lage dieser beiden ersten Marken entsprach seinen Angaben. Selbst die Wiedergabe des Flusslaufes beruhte auf den natürlichen Gegebenheiten. Acht der eingetragenen Punkte bezeichneten die Positionen solcher Ziegelpagoden. Über ihren Zweck konnte Ellen nur Spekulationen anstellen.
„Wenn die ganze Anlage ein Sternbild wiedergibt, so ist es vielleicht ähnlich wie bei den alten Ägyptern. Womöglich glaubten auch hier die Erbauer, ihre unsterblichen Seelen würden zu diesen Sternen auffahren.“
„Aber warum durfte dann niemand davon wissen? Warum haben sie sich solche Mühe gegeben, es geheim zu halten?“
Er fragte, weil er den düsteren Gedanken nicht aussprechen wollte. Denn es gab noch eine andere Möglichkeit. Vielleicht kam etwas von dort herunter.
„Die Antwort finden wir im Tempel.“
„Wenn unser habgieriger Vorgänger nicht alles ausgeräumt hat.“
Aber selbst wenn, was war dann mit ihm geschehen? Er unterdrückte die quälende Frage, was genau an seinen Aufzeichnungen

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