Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
Vom Netzwerk:
Tod. Mit Vickys verquollenem Gesicht, mit dem Versuch, das Unfassbare zu fassen.
    Am Morgen danach, alles schlief noch, hatte man sie abgeholt und in das Singapore Criminal Investigation Department gebracht, zur Klärung einiger Fragen, wie es hieß. Noch übermüdet ging ihr das Widersinnige erst auf, als sie in das kalte Verhörzimmer geführt wurde. Was interessierte die Abteilung für Kapitalverbrechen an diesem Fall?
Der Beamte in Zivil erging sich in nebensächlichen Feststellungen, die ihr kaum ins Bewusstsein drangen. Seine letzte Bemerkung sägte über ihre Nerven. Hellwach fuhr sie auf.
„Möglich, dass Miss Paillin an Erschöpfung gestorben und das Wasser erst danach in ihre Lungen gelangt ist. Sie trieb schon einige Tage im Meer. Was aber eines nicht erklärt: die Schusswunde in ihrer Schulter!“
    Z wei Zimmer den Flur hinunter begann Detective Inspector Sung seinen Dienst. Er ahnte, der Tag würde noch Überraschungen bieten. Der Bericht, der vor ihm auf dem Tisch lag, sprach von einem Ausländer, der gestern Abend gegen 22 Uhr 45 verhaftet worden war, in der Thomson Road, unmittelbar nach einem Tötungsdelikt.
Und jetzt saß er diesem Ausländer gegenüber.
„Wie fühlen Sie sich, Mister Finney?“
Eine solche Frage in dieser Situation zu stellen, bringt nur ein Bulle fertig, dachte Leonard.
Er nahm noch einen Schluck aus der Kaffeetasse. Wegen der Handschellen musste er dazu beide Hände benutzen. Unangenehm schabte sein Hemd, steif von getrocknetem Blut, über die Haut.
„Ich habe das erste Mal in dieser verdammten Stadt eine Nacht ohne Albträume verbracht. Und das ausgerechnet in Ihrem Knast!“
    Als man ihn gestern Nacht in die Zelle gestopft hatte, unternahm er gar nicht erst den Versuch, zu protestieren. Das unheimliche Old Empire Hotel musste ihn vollständig ausgezehrt haben. Auf der Stelle war er in einen komatösen Schlaf gefallen. Erst frühmorgens holten ihn Schläge an der Tür aus dem gnadenvollen Dunkel. Der Kaffee des Criminal Investigation Department war stark genug, ihn wieder auf die Beine zu bringen. Innerlich verleitete ihn das Paradoxe an seiner Lage zu einem Schmunzeln. Nach dem bislang grauenvollsten Abend fühlte er sich erholter als je zuvor.
„Und die Antwort auf Ihre nächste Frage lautet: Nein, ich habe den Mann nicht umgebracht.“
Ohne eine Reaktion zu zeigen, behielt Inspector Sung Leonard im Auge. Die vorgetäuschte Gleichgültigkeit sollte den Verdächtigen nervös machen. Sein Verhörspiel begann. Darüber hinaus besaß er keinen Funken Humor.
„Eine dunkle Gegend. Zwei Männer allein. Keine Zeugen“, setzte der Inspector an. „Einem wird die Kehle durchgeschnitten. Sauber. Mit einem einzigen Schnitt, was aus nächster Nähe geschehen sein muss. Den anderen finden wir neben dem Opfer vor, mit blutbefleckter Kleidung.“
Das war gleichzeitig Anklage und Verurteilung. Fehlte nur die Vollstreckung. Singapur verhängte noch die Todesstrafe. Der Gedanke daran zog Leonards Hemdkragen enger. Er wandte seinen Kopf halb zur Tür. Dort stand ein Uniformierter, die Lider halb geschlossen, als döse er im Stehen. Ohne Frage würde er sekundenschnell aus der Trance erwachen, sobald Leonard eine verdächtige Bewegung machte. Inspector Sung kam schon Leonards sachte Kopfbewegung verdächtig vor.
Er legt sich einen Fluchtplan zurecht, dachte der Polizist.
„Warum hätte ich diesen Doktor Pathom umbringen sollen?“, fragte Leonard. „Ich hab ihn nie zuvor gesehen. Er hat mich kontaktiert. Fragen Sie in meinem Hotel nach. Das Treffen war seine Idee.“
„Worum ging es?“
„Wenn Ihre Kollegen zwei Minuten früher aufgetaucht wären, wüsste ich es.“
Seine eigene Antwort versetzte ihm einen Schlag. Über Stunden hatte er sich im Dunkel der trostlosen Straße aufgehalten, ohne auch nur einen Hund zu entdecken. Kaum lag eine Leiche zu seinen Füßen, rauschte plötzlich ein Streifenwagen heran. War das abgekartet? Wollte ihn jemand auf diese Weise aus dem Weg räumen? Die andere Möglichkeit erschauerte ihn noch mehr. Da draußen hatte jemand auf der Lauer gelegen und den armen Doktor aufgeschlitzt. War das Erscheinen der Polizisten Zufall, hatten sie den Mörder gestört, bevor er sein Werk vollenden konnte. Und ihn selbst damit gerettet.
Einer von ihnen ist hier. Er wird versuchen, dich zu töten.
Diese düstere Warnung einer Unbekannten formte sich zu handfester Bedrohung.
„Das ergibt alles keinen Sinn“, sagte er matt.
Auch diese Äußerung nahm

Weitere Kostenlose Bücher