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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Rayhan hatte mit der Antwort keine Eile. Seelenruhig, als wäre es eine Art Meditation, goss er das Wasser in einen schlichten Messingbecher, während der weißhaarige Greis Beatrice unablässig fixierte, so als könnte er mit seinen unheimlichen weißen Augen mehr sehen als gewöhnliche Menschen.
    »Hier, Saddin al-Assim«, sagte Abu Rayhan. »Trinkt.«
    Sie nahm den Becher an und drehte ihn argwöhnisch in den Händen. Plötzlich hatte sie einen schrecklichen Verdacht. Was, wenn man gar nicht mit ihr reden wollte, sondern ihr Todesurteil bereits beschlossene Sache war und sofort vollstreckt werden sollte?
    »Trinkt«, sagte Abu Rayhan noch einmal, und diesmal huschte sogar ein Lächeln über sein Gesicht. Ein wissendes Lächeln voller Verständnis, als ob er sich gut in ihre Lage und ihre Gedanken hineinversetzen könnte. »Seid unbesorgt, das Wasser enthält kein Gift.«
    Nun, vielleicht stimmte das sogar. Aber was war mit Wahrheitsdrogen? Den Arabern mit ihren Handelsbeziehungen in alle Welt waren bestimmt selbst im Mittelalter solche Substanzen bekannt.-
    »Ich danke Euch, aber ich habe in diesem Augenblick keinen Durst«, erwiderte Beatrice entschlossen und stellte den Becher auf den niedrigen Tisch, der zwischen ihnen stand.
    Abu Rayhan hob eine Augenbraue. »Gut, ich werde Euch nicht zwingen«, sagte er und lehnte sich ein wenig zurück. »Wie ich sehe, habt Ihr bereits dazugelernt. Das ist lobenswert. Doch tätet Ihr besser daran, Euer Misstrauen und Eure Vorsicht auch an anderen Orten zu pflegen als nur in diesem Turm.«
    »Ich möchte keinesfalls unhöflich erscheinen, Abu Rayhan«, sagte Beatrice, »doch ausgerechnet heute habe ich keine Zeit für vage Andeutungen. Ich habe es ein wenig eilig. Würdet Ihr daher die Güte haben, mir ohne Umschweife zu erklären, weshalb Ihr mich zu Euch gebeten habt?«
    Abu Rayhan warf dem weißhaarigen Greis einen kurzen Blick zu.
    »Treibt Euch die Ungeduld der Jugend, oder wisst Ihr vielleicht schon, was wir Euch sagen wollen?«
    Beatrice schloss die Augen und zählte stumm bis zehn. Es kostete sie einiges an Überwindung, nicht ungeduldig mit den Fingern auf ihren Knien zu trommeln oder aufzuspringen und im Zimmer umherzuwandern.
    »Eure Studien haben Euch lange in der Bibliothek aufgehalten«, sagte der Greis und sah Beatrice unverwandt mit seinen weißen Augen an. »Sogar bis tief in die Nacht hinein, wie man uns berichtet hat.«
    »Und?« Beatrice zuckte mit den Schultern. »Ich wusste nicht, dass das verboten ist. Abu Rayhan sagte, es stehe mir frei, wann und wie lange ich mich in der Bibliothek aufhalte.«
    »Natürlich ist es nicht verboten, Saddin al-Assim«, sagte Abu Rayhan beschwichtigend. »Es ist nur ungewöhnlich. Alles Ungewöhnliche aber erregt Aufmerksamkeit, und das ist - wie Ihr gewiss verstehen werdet - in einer Stadt wie Gazna nicht ganz ungefährlich.«
    »Außerdem hängt es davon ab, welcher Art die Studien sind«, ergriff nun auch der Greis das Wort. »Wie man uns erzählte, haben Euch hauptsächlich jene Bücher interessiert, die einst Ali al-Hussein ibn Abdallah ibn Sina gehörten. Kennt Ihr diesen Namen?«
    Beatrice blinzelte. Sollte sie jetzt leugnen, irgendeine Geschichte erfinden? Sie entschied sich dagegen.
    »Ja, natürlich ist er mir bekannt«, sagte sie und lachte. »Habt Ihr schon vergessen, dass ich Arzt bin? Welcher Arzt unter Allahs Sonne kennt ihn wohl nicht, den großen ibn Sina?«
    »Hört auf, um den Brei herumzureden«, sagte der Greis und klopfte mit seinem Stock ungeduldig auf den Boden. »Ibn Sinas vortreffliche Schriften über die Heilkunde sind das eine. Doch die Bücher, die ihr studiert habt, hat nicht er selbst geschrieben. Sie stammen lediglich aus seinem Besitz. Es sind Schriften der alten Philosophen und Gelehrten, und wir wollen nur wissen, weshalb sie Euer Interesse fanden.«
    Beatrice sah von einem zum anderen. Allmählich wurde sie wütend. Was sollte diese Schnüffelei?
    »Ich wüsste nicht, was Euch das ...«
    »Bitte, versteht uns nicht falsch«, fiel Abu Rayhan ihr ins Wort. »Wir erkundigen uns nicht aus Neugierde, sondern aus
    Sorge um Euch. Ihr weilt noch nicht lange in Gazna, und Ihr könnt deshalb nicht wissen, dass Ali al-Hussein, so herausragend seine Fähigkeiten als Arzt auch sein mögen, sich mit Wissenschaften auseinander setzt, die vor den Augen unseres Herrschers keine Gnade finden. Um es deutlich auszudrücken ...«
    »Um es beim Namen zu nennen, Saddin al-Assim«, sagte der Greis und stampfte

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