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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Trotz aller Widrigkeiten und Hindernisse, die sich ihr immer wieder in den Weg stellten, schien sie stets an die richtigen Menschen zu geraten. Immer wenn sie glaubte, es ginge nicht mehr weiter, traf sie Männer und Frauen, denen sie vertrauen konnte und die ohne Gegenleistung bereit waren, ihr zu helfen oder sie zu beschützen. Vielleicht war es Zufall oder einfach nur Glück, vielleicht war es aber auch das Wirken einer höheren Macht. Wenn sie in Qazwin ankam, würde sie so bald wie möglich den Juden aufsuchen, von dem Saddin in ihrem Traum gesprochen hatte. Sie hatte unendlich viele Fragen an ihn.
    »Ihr solltet jetzt gehen«, mahnte Kemal. »Je länger Ihr in Gazna verweilt, umso größer ist die Gefahr der Entdeckung. Mein Einfluss auf Reza ist begrenzt, und ich vermag nicht abzuschätzen, wann er sich an Hassan oder Subuktakin wenden wird.«
    »Ihr habt Recht«, erwiderte Beatrice und erhob sich. »Jede Stunde ist kostbar.«
    »Verzeiht, dass wir nicht mehr für Euch tun können«, sagte Abu Rayhan.
    »Ihr habt bereits mehr für mich getan, als ich jemals erhoffen durfte«, entgegnete Beatrice und verneigte sich vor den beiden Männern. Sie war ihnen überaus dankbar. Noch vor wenigen Minuten hatte sie nicht gewusst, wo sie Pferd und Proviant hernehmen sollte, und jetzt hatte sie quasi mit einem Schlag alles beisammen - inklusive Landkarte. »Ich weiß nicht, wie ich Euch das jemals vergelten soll.«
    »Das braucht Ihr auch nicht«, sagte Abu Rayhan, ergriff ihre Hände und lächelte. »Ich wünschte nur, Euer Aufenthalt in Gazna wäre von längerer Dauer gewesen. Ich bin sicher, wir hätten viel von Euch lernen können.«
    Auch Kemal erhob sich schwerfällig. Als er dann endlich vor ihr stand, legte er Beatrice eine Hand auf die Schulter. Es war eine beinahe väterliche Geste, die sie umso mehr berührte, als sie diesen alten Mann eigentlich für einen Feind gehalten hatte.
    »Verlasst Gazna so bald wie möglich und reitet schnell, ohne Euch umzublicken«, sagte er, und seine Stimme klang merkwürdig heiser. »Denkt immer daran, dass es für Euch in Gazna nichts gibt, das Ihr betrauern müsstet.«
    Vor ihren Augen tauchten die Gesichter von Yasmina, Malek, Assim und Yassir auf. Und da gab es noch diese beiden hier, Abu Rayhan und Kemal. Es gab hier nichts, was sie betrauern müsste? Beatrice war sich nicht so sicher. Trotzdem nickte sie.
    »Allah möge Euch segnen und auf allen Euren Wegen Seine schützende Hand über Euch halten«, sagte sie und verneigte sich noch einmal tief vor den beiden Gelehrten. Dann verließ sie das Zimmer.

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    17.
    B eatrice genoss den Ritt durch die Steppe. Die Hufe ihres Pferdes trommelten auf den schweren Boden, der frische Wind kühlte ihre Wangen, das dürre Gras roch nach Heu und Wildkräutern, und die untergehende Sonne schien ihr ins Gesicht. Nur vereinzelt stieß sie auf Zeugnisse für die Anwesenheit von Menschen - stillgelegte Zisternen, Feldbegrenzungen aus angehäuften Steinen, halb verfallene Häuser, die von ihren Bewohnern bereits vor Jahren verlassen worden waren. Menschen hingegen sah sie nicht. Zum Glück. Bisher war ihre Flucht besser verlaufen, als sie gedacht hatte, und sie hoffte, dass es so weitergehen würde.
    Gleich nachdem sie sich von Abu Rayhan und Kemal verabschiedet hatte, hatte sie sich zu Maleks Haus begeben. Sie hatte Assim noch einmal untersucht. Dem Jungen ging es erfreulich gut, er war diszipliniert und hörte aufmerksam zu, als sie ihm erklärte, wie er sich in den kommenden Wochen verhalten müsse. Beatrice wusste, dass sie kein schlechtes Gewissen zu haben brauchte. Sie konnte ihn getrost für die Zeit bis zu seiner vollständigen Genesung mit seiner Familie allein lassen. Anschließend hatte sie Yasmina aufgesucht, ihr noch Instruktionen für die Pflege von Assim gegeben und die Freundin in ihre Pläne eingeweiht. Selbst wenn man ihre Spur bis zu Maleks Haus verfolgen würde, würde sich Hassan ganz gewiss nicht die Mühe machen, auch noch die Frauen der Familie zu verhören. Sie zählten schließlich nicht. Dann hatte sie Kemals Rat befolgt und ihre Kleidung gewechselt. Als sie wenig später nach einem herzlichen und tränenreichen Abschied wieder auf die Straße getreten war, war Saddin al- Assim ibn Assim verschwunden. An seine Stelle war eine tief verschleierte Frau getreten, die sich von den anderen Frauen durch nichts unterschied. Unbehelligt war Beatrice quer durch die Stadt zum Westtor gegangen. Und obwohl viele

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