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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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verschenken?«, unterbrach Saddin sie. Seine Stimme hatte einen spöttischen Unterton, der Beatrice endgültig auf die Palme brachte. »Oder ihn einfach irgendwo zu >verlieren< und abzuwarten, was damit geschieht?«
    »Nein, verdammt!«, rief sie und stampfte vor Empörung mit dem Fuß auf. »Wie hätte ich denn guten Gewissens jemandem diesen Stein überlassen können? Einem völlig Unschuldigen, der dann das Gleiche hätte durchmachen müssen wie ich - aus heiterem Himmel in eine fremde Zeit und ein fremdes Land versetzt zu werden?«
    »Trotzdem hat dich niemand gezwungen, den Stein zu behalten«, entgegnete Saddin. »Du hast es aus freien Stücken getan, weil dein Gewissen, dein Gefühl es dir gesagt hat.«
    Beatrice runzelte verärgert die Stirn. »Nun, wenn das etwa für dich bedeutet, dass ich den Stein freiwillig ...«
    »Freiwilligkeit hat nichts mit dem freien Willen zu tun, den Allah uns gegeben hat«, unterbrach Saddin sie. »Du hast dich entschieden - für dein Gewissen, für den Stein. Und nun hör auf darüber zu jammern, dass diese Entscheidung die eine oder andere unangenehme Konsequenz nach sich zieht.«
    »Aber ...«
    Er schnitt ihr mit einer Geste das Wort ab.
    »Sei jetzt endlich still und hör mir zu. Die Sonne wird bald aufgehen, uns bleibt also nicht mehr viel Zeit.«
    Beatrice schwieg. Sie war sauer auf Saddin. Wer gab ihm das Recht, so mit ihr zu reden?
    »Verlasse Gazna in der kommenden Nacht und reite nach Qazwin. Dort lebt Ali zurzeit, und Michelle ist bei ihm. Wenn du da bist, suche gemeinsam mit Ali den Ölhänd- ler Moshe Ben Maimon auf. Ali war zwar schon bei ihm, aber ...« Er schüttelte ungeduldig den Kopf. »Du kennst ihn. Er ist ein Gelehrter, ein Büchernarr. Er stellt oft genug die falschen Fragen. Moshe ist ebenfalls ein Hüter, und er weiß mehr über die Steine der Fatima als jeder andere Mensch auf der Welt. Im Laufe der Jahre hat er so viele Reisen unternommen, dass sich die Spanne seines Lebens mindestens verdreifachen lässt. Er wird euch alles über die Steine erzählen und euch bestimmt auch erklären, wie ihr sie vor den Fidawi in Sicherheit bringen könnt. Und - selbst wenn es dir schwer fallen sollte - zögere dann nicht, sondern tue, was er sagt.«
    »Werde ich Michelle wieder nach Hause holen können?«
    Saddin atmete geräuschvoll ein. »Woher soll ich das wissen? Ich führe nur einen Auftrag aus. Und der lautet, auf dich, Michelle und die Steine aufzupassen. Mehr nicht.«
    Und was springt für dich dabei heraus?, hätte sie ihn am liebsten gefragt. Denn umsonst oder aus reiner Menschenliebe tat dieser Mann gewiss nichts. Doch Beatrice biss sich auf die Zunge. Saddin machte ohnehin schon einen ziemlich gereizten Eindruck. Außerdem durfte sie nicht vergessen, dass dies ein Traum war und dass er nur in diesem Traum aufgetaucht war, um ihr zu sagen, wo sie Michelle und Ali finden würde. Eigentlich sollte sie ihm dankbar sein.
    »Also gut, ich werde mich an deine Worte halten«, sagte sie schließlich und streckte ihm versöhnlich die Hand entgegen. »Ich verspreche es.«
    »Du bist das störrischste, eigensinnigste Weib, das mir jemals begegnet ist«, erwiderte er, und ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er ihre Hand ergriff. »Aber ich wusste, dass du dich so entscheiden würdest.«
    »Kannst du mir noch einen Tipp geben, wie ich mich am besten aus Gazna davonstehle, ohne gleich das Heer von Subuktakins Soldaten hinter mir herzulocken?«
    »Du bist doch klug. Dir wird schon etwas einfallen, Beatrice«, antwortete er. »Da bin ich ...«
    Er hielt plötzlich inne und neigte seinen Kopf, als ob er ein Geräusch gehört hätte.
    »Ich muss gehen«, sagte er und drehte Beatrice zu sich um. »Denke immer an meine Worte.« Sein Zeigefinger fuhr leicht wie eine Feder die Konturen ihres Gesichts entlang - die Augenbrauen, die Wangenknochen, die Nase. Dabei sah er ihr in die- Augen. Es war ein Blick, von dem sich Beatrice nicht losreißen konnte. Sie hatte fast vergessen, wie schön seine Augen waren, sie waren fast so dunkel wie der Nachthimmel. Und nach einer Weile hatte sie sogar den Eindruck, dass sie in ihnen die Sterne sehen konnte. »Allah sei mit dir.«
    Dann zog er sie näher zu sich heran und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen.
    »Werde ich dich bald wiedersehen?«, fragte Beatrice.
    »Das kann ich dir nicht sagen. Aber ich verspreche dir, dass ich in deiner Nähe bleiben werde. Wahrlich, Ali kann sich glücklich schätzen.«
    Und dann war er weg. Ganz

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