Das Auge der Fatima
Bist du dumm? Wie kannst du dieses Wort in den Mund nehmen!«, herrschte Jaffar seinen Untergebenen an und schlug ihm mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. Dann sah er sich um, als wollte er erneut sichergehen, dass sie nicht belauscht wurden. »Habe ich dir nicht eingeschärft, dass wir vorsichtig sein müssen? Dass unter gar keinen Umständen jemand etwas erfahren darf?«
»Ja, aber ...«
»Schweig jetzt. Wir werden diese Leute nach Gazna begleiten, so wie wir es besprochen haben. Vielleicht schickt mir Allah ja auf dem Weg dorthin einen rettenden Gedanken. Wir wollen nur hoffen, dass alles gut geht und wir nicht noch zusätzlich in einen Hinterhalt geraten. Ich habe wirklich andere Sorgen, als mich jetzt auch noch mit Räubern und Sklavenhändlern herumzuschlagen. In Gazna wartet schon genug Ärger auf uns. Und jetzt verschwinde. Ich glaube, dieses junge Großmaul und seine Brüder sind im Anmarsch.« Er knirschte hörbar mit den Zähnen. »Wenn ich nicht wüsste, welch gutes Geschäft mir entgehen würde, würde ich diesen Burschen am liebsten in der Wüste verdursten lassen.«
Von einem Augenblick zum nächsten verschwand der kleine Mann nahezu lautlos zwischen den Pferden.
Wirklich wie ein Frettchen. Oder wie eine Ratte, dachte Beatrice voller Abscheu. Fidawi - was war das noch? Wenn ich mich doch bloß erinnern könnte.
Inzwischen waren Malek und seine Brüder näher gekommen.
»Ah, hier bist du, Jaffar. Endlich finden wir dich.«
»Junge edle Herren!«, rief Jaffar übertrieben herzlich aus und verneigte sich tiefer, als es üblich war. »Weshalb habt Ihr mich denn gesucht? Womit kann ich Euch behilflich sein? Es wird mir eine Freude sein, Euch zu dienen.«
Wie gut sich doch manche Menschen verstellen können, dachte Beatrice voller Zorn und beschloss, den Karawanenführer auf ihrer Reise ganz besonders im Auge zu behalten.
»Wo sind deine Männer, Jaffar?«, fragte Malek, ohne auf die Worte des Nomaden einzugehen. Seine Stimme klang streng. »Die Sonne zeigt sich bereits am Horizont. Ich wäre erfreut, wenn deine Leute dies auch täten. Wir hatten die Absicht, früh aufzubrechen.«
»Ich verstehe Euren Unmut nicht«, sagte Jaffar und deutete vage in alle Richtungen. »Meine Männer sind doch schon lange hier. Noch während Ihr Eure Pflichten als frisch vermählter Ehemann erfüllt habt, haben sie damit begonnen, ihrerseits ihre Pflicht zu tun. Sie füllen die Wasserschläuche auf, überprüfen die Vorräte, die Pferde, geben den Tieren noch etwas zu trinken ...«
»Ja, ja, ja. Das habe ich auch gesehen. Aber ich habe nur vier Männer gezählt«, unterbrach ihn Malek unwirsch. »Ist das dein Ernst? Du hast wirklich nur vier Männer dabei? Oder warten die restlichen außerhalb der Oase auf uns?«
Jaffar schüttelte den Kopf. »Ich versichere Euch, fünf von unserem Schlag sind mehr als genug, um Euch, Eure junge Gemahlin und Euren wertvollen Besitz auf dieser Reise zu beschützen«, erwiderte er und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Jeder, der es wagen sollte, dieser Karawane zu nahe zu kommen, wird seinem Schöpfer eher gegenüberstehen, als er es sich je zu träumen gewagt hat.« Zur Bekräftigung seiner Worte griff der Nomade an seinen Gürtel, sodass seine Dolche und Säbel klirrten. Dabei lachte er, als ob das Ganze für ihn nichts weiter als ein amüsanter Ausflug wäre. »Entschuldigt mich, Ihr edlen Herren«, sagte er schließlich und verneigte sich vor Malek und seinen Brüdern. »Ich muss mich jetzt um meine Männer kümmern.«
Er ging mit selbstsicheren, schwingenden Schritten davon.
Das Pferd schnaubte und stieß Beatrice auffordernd an.
»Pst, sei leise!«, flüsterte sie erschrocken und fuhr fort, den Hals des Tieres zu tätscheln.
Malek und seine Brüder waren noch da, kaum drei Meter von ihr entfernt. Auch wenn sie - im Gegensatz zu Jaffar - nichts zu verbergen hatten, so wären sie bestimmt nicht erfreut gewesen zu entdecken, dass sie belauscht wurden. Noch dazu von einer Frau.
»Was ist mit dir, Malek?«, fragte Assim seinen ältesten Bruder, der Jaffar immer noch gedankenverloren nachschaute. »Stimmt etwas nicht?«
»Und ob!«, antwortete Murrat an Maleks Stelle. Der drittälteste Bruder war ein stämmig gewachsener junger Mann, der immer aussah, als ob er schlechte Laune hatte. »Ich sagte dir gleich, wir können diesem Kerl nicht trauen. Wir hätten die Reise nach Gazna besser allein antreten sollen.«
»Ich weiß, Murrat, ich weiß«, erwiderte Malek. »
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