Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge der Ueberwelt

Das Auge der Ueberwelt

Titel: Das Auge der Ueberwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
Vom Netzwerk:
nach. Cugel zog mit all seiner Kraft. Aus der Tiefe kam ein gewaltiges Blubbern. »Ein Strudel!« schrie Marlinka entsetzt.
    »Hier gibt es keinen Strudel«, keuchte Cugel und zerrte wieder. Die Ankerleine entspannte sich, und Cugel holte sie ein. Als er über die Bordwand blickte, starrte er in ein riesiges bleiches Gesicht, das ihm aus dämmeriger Tiefe entgegenstieg. Der Anker hatte sich in einem Nasenloch verfangen. Als er noch starrte, öffnete das Gesicht die Augen.
    Cugel warf die Leine fort, sprang zur Ruderbank und legte sich verzweifelt in die Riemen, um das südliche Ufer zu erreichen.
    Eine Hand so groß wie ein Haus kam aus dem Wasser und tastete umher. Marlinka kreischte. Es gab ein mächtiges Aufwallen und Brodeln, und eine Flutwelle, die das Boot wie ein trockenes Blatt mit sich riß, und aus dem See erhob sich Magnatz.
    Aus dem Dorf kam das Dröhnen des Großen Gongs, und Magnatz richtete sich auf. Wasser und Schlamm troffen von seinem riesigen Körper. Der Anker hing noch immer in seiner Nase fest, und eine dicke schwärzliche Flüssigkeit rann aus der Wunde. Er hob einen mächtigen Arm und schlug nach dem Boot. Der Aufprall der Hand auf das Wasser warf eine Wand aus Gischt auf, die das Boot umwarf und Cugel und das Mädchen und den Schatz in die dunkle Tiefe des Sees stieß.
    Cugel strampelte empor zur Oberfläche. Magnatz hatte sich dem Dorf zugewandt.
    Cugel schwamm ans Ufer und taumelte an Land. Marlinka war ertrunken. Auf der anderen Seite der Bucht watete Magnatz langsam auf das Dorf zu. Cugel wartete nicht länger. Er wandte sich um und rannte nach Süden, so schnell die Beine ihn trugen.
     

 
3.
     
    Die Berge lagen hinter ihm, eine schwärzliche, zerklüftete Mauer im Norden. Eine Zeitlang durchwanderte Cugel eine Region bewaldeter Ausläufer, dann stieß er auf einen schwach ausgeprägten Pfad, der ihn in ziemlich gerader Linie nach Süden und an den Rand einer weiten, dämmerigen Ebene brachte. Sie zeigte Farben, die sehr denjenigen der flechtenbewachsenen Felsen ähnelten, die Cugel gerade hinter sich gebracht hatte: schwärzliche Flecken von Buschwald; ein graues Trümmerfeld, wo Ruinen ein flaches Tal füllten; undefinierbare Streifen aus graugrünen, rauchblauen, graubraunen Tönen; der bleierne Glanz zweier großer Flüsse, die im Dunst der Ferne verschwanden.
    Die letzte Rast hatte seine Glieder nur noch steifer gemacht; er hinkte, und der Beutel hatte seine Hüfte wundgescheuert. Noch quälender aber war der Hunger, der in seinem Leib wühlte. Gewiß, das Amulett dieses Teufels Iucounu konnte Gras, Holz, Horn, Haare, Humus und dergleichen zu genießbarer Speise machen, doch blieb der Geschmack unverändert, und während seiner Wanderung durch die Berge und hinunter in die Ebene hatte Cugel wenig Besseres als Wegerich, Löwenzahn, Fichtenzapfen, Eichenlaub und in einem Fall, als er nichts anderes fand, sogar Abfälle verzehrt, die er in der Höhle eines gerade abwesenden Einsiedlers entdeckte. Er war hager geworden, und seine Backenknochen standen vor wie bei einem Totenkopf. Wahrlich, Iucounu hatte viel zu verantworten!
    Nachdem er am Fuß der letzten Hügelausläufer genächtigt hatte, wanderte er fast den ganzen Tag durch eine öde Salzsteppe; dann erreichte er vor Sonnenuntergang das Ufer eines breiten, träge dahinziehenden Flusses, neben dem eine Straße verlief. Er folgte ihr und kam bald zu einem großen Gebäude mit dunkelbrauner Stuckfassade, das offensichtlich eine Herberge war. Der Anblick erfüllte Cugel mit großer Befriedigung, denn er hatte den ganzen Tag nichts gegessen und die letzten Nächte in der Wildnis zugebracht. Er stieß die schwere, eisenbeschlagene Tür auf und trat ein.
    Er stand in einem Hausflur. Die Wände zu beiden Seiten waren getäfelt, und der letzte Widerschein des Sonnenuntergangs lag rosig auf dem altersdunklen Holz. Und aus der Gaststube drangen das muntere Gemurmel vieler Stimmen, das Klingen von Glas und Klappern von Tellern. In die verlockenden Düfte aus der Küche mischten sich Gerüche von gewachsten Fliesen und Leder. Als Cugel die Tür zur Gaststube öffnete, sah er ein großes Kaminfeuer und etwa zwanzig Männer an den Tischen, die tranken, aßen und großsprecherische Reden führten.
    Der Gastwirt stand hinter einer Theke, ein untersetzter Mann, der Cugel kaum bis zur Schulter reichte. Er hatte einen hochgewölbten kahlen Schädel und einen schwarzen Vollbart, der ihm weit über die Brust reichte, dazu vorquellende Augen mit

Weitere Kostenlose Bücher