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Das Auge der Ueberwelt

Das Auge der Ueberwelt

Titel: Das Auge der Ueberwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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schweren Lidern; sein Gesichtsausdruck war sanft. Auf Cugels Frage nach einem Bett zupfte er zweifelnd an der Nase.
    »Mein Haus ist schon überbelegt mit Pilgern, die unterwegs nach Erze Damath sind. Die Leute, die Sie hier sehen, sind noch nicht einmal die Hälfte von allen, die ich unterbringen muß. Ich werde Ihnen einen Strohsack in die Diele legen, wenn Sie damit vorliebnehmen wollen; mehr kann ich nicht tun.«
    Cugel seufzte ärgerlich. »Dies erfüllt nicht meine Erwartungen. Ich lege großen Wert auf ein Privatzimmer mit einem guten Bett und einem dicken Teppich, um den Lärm aus der Gaststube zu dämpfen.«
    »Ich fürchte, daß Sie enttäuscht sein werden«, sagte der Wirt gleichmütig. »Das einzige Zimmer dieser Art ist bereits belegt, und zwar von dem Mann mit dem blonden Bart dort drüben, einem gewissen Lodermulch, der gleichfalls nach Erze Damath reist.«
    »Vielleicht könnten Sie ihn mit dem Hinweis auf einen Notfall überreden, das Zimmer zu räumen und an meiner Stelle mit dem Strohsack in der Diele vorliebzunehmen«, schlug Cugel vor.
    »Ich bezweifle, daß er einer solchen Selbstverleugnung fähig sein würde«, erwiderte der Gastwirt, »aber warum fragen Sie ihn nicht selbst? Ich habe kein Verlangen, ihm die Sache vorzutragen.«
    Cugel, der Lodermulchs energische Züge, seine muskulösen Arme und die etwas geringschätzige Art und Weise beobachtete, in der er den Gesprächen der Pilger lauschte, war geneigt, sich der Einschätzung des Gastwirts anzuschließen, und drängte nicht weiter. »Es scheint, daß ich den Strohsack nehmen muß. Nun, was mein Abendessen betrifft: ich möchte ein gefülltes Huhn, gebraten und garniert, dazu an Beilagen, was Ihre Küche liefern kann.«
    »Meine Küche ist überbeansprucht, und Sie müssen mit den Pilgern Linsen essen«, erwiderte der Gastwirt. »Die Küche hat nur noch ein Huhn, und auch dieses wurde von Lodermulch für seine Abendmahlzeit vorbestellt.«
    Cugel zuckte ärgerlich die Schultern. »Macht nichts. Ich werde den Staub der Reise abwaschen und dann einen Becher Wein trinken.«
    »Hinter dem Haus gibt es fließendes Wasser und einen Trog, der gewöhnlich für diesen Zweck gebraucht wird. Gegen gesonderte Berechnung kann ich Salben, Öle und angewärmte Handtücher zur Verfügung stellen.«
    »Das Wasser wird reichen«, sagte Cugel. Er ging hinter das Haus, wo er einen Trog voll Wasser fand. Nachdem er sich gewaschen hatte, blickte er umher und bemerkte in einiger Entfernung einen aus festen Balken gefügten Schuppen. Er war im Begriff, wieder in die Gaststube zu gehen, als ihm eine Idee kam. Er ging hinüber zum Schuppen, öffnete und schaute hinein; dann kehrte er gedankenvoll ins Gasthaus zurück. Der Wirt kredenzte ihm einen Becher mit Glühwein, den er in einen versteckten Winkel trug.
    Lodermulch war nach seiner Meinung über die sogenannten funambulen Evangelisten gefragt worden, die sich weigerten, ihre Füße auf den Boden zu setzen und ihren Beschäftigungen auf gespannten Seilen nachgingen. Mit barscher Stimme stellte Lodermulch die Fragwürdigkeit dieser Lehre bloß.
    »Sie berechnen das Alter der Erde mit neunundzwanzig statt der üblichen dreiundzwanzig Äonen. Sie behaupten, daß auf jede Quadratelle Erdboden zweieinviertel Millionen Menschen entfallen, die während dieser Zeiträume gestorben sind und ihren Staub abgelagert haben, wodurch eine überall anzutreffende Schicht Friedhofserde entstanden sei, die zu betreten eine Entehrung der Toten wäre. Auf den ersten Blick leuchtet das Argument ein, aber bedenken Sie: der Staub eines zerfallenen Leichnams, ausgebreitet über eine Quadratelle Boden, ergibt eine Schicht von einem Dreiunddreißigstel Zoll Stärke. Die Gesamtmenge würde demnach einen fast meilendicken Mantel aus verdichtetem Leichenstaub ausmachen, der die Erde umhüllt, was erwiesenermaßen falsch ist.«
    Ein Anhänger der Sekte, ohne Zugang zu seinen gewohnten Seilen gezwungen, in beschwerlichen Zeremonienschuhen zu gehen, antwortete mit einem erregten Ausruf. »Sie sprechen ohne Verständnis und Logik! Wie können Sie so apodiktisch sein?«
    Lodermulch hob seine buschigen Brauen. »Muß ich mich wirklich eingehend dazu äußern? Allenthalben findet man Wüstenstreifen und Ufer aus reinem weißem Sand und Berge aus Urgestein. Nirgendwo sind die massiven Ablagerungen aus grauweißem Tuff, von denen die Lehre Ihrer Sekte abhängt.«
    »Inkonsequente Effekthascherei!« sprudelte der funambule Evangelist.
    »Was ist

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