Das Auge der Wüste: Das Geheimnis von Askir 3 (German Edition)
ich nicht, vielleicht hatte ich Angst, mich in ihren Augen lächerlich zu machen, wenn ich von einer alten Prophezeiung sprach oder von der Unterhaltung mit einem Priester, den ich für den Gott persönlich hielt.
Aber nein, ich war nicht ehrlich zu mir selbst. Ich liebte Leandra, daran bestand für mich kein Zweifel. Aber sie hatte nur ein Ziel vor Augen, ihren Auftrag, ihre Mission. Wenn ich ihr von den drei Ratschlägen, die ich laut der Prophezeiung der Prinzessin geben sollte, erzählen würde, so wusste ich, dass sie das verwenden würde, um ihrem Ziel näherzukommen. Dagegen war auch nichts zu sagen, solange diese Ratschläge gut waren. Seit ich erwacht war, dachte ich oft darüber nach. Welchen Ratschlag sollte ich einer angehenden Kalifa erteilen?
Ich zwang meine Gedanken zurück zu Leandras Worten. Der Greif. »Hast du Interesse an dem Greifen?«
»Er ist mein Wappentier. Ich habe noch nie einen lebenden gesehen. Ich will dieses Tier zumindest sehen. Und ja, wenn es möglich ist, will ich es erwerben.«
»Ich hörte, seine Flügel seien gestutzt, es wird lange dauern, bis er wieder fliegen kann. Und es ist mehr als ungewiss, ob er dich auf sich reiten lässt.«
Ich dachte an die Greifen zurück, die gestern Morgen über die Wegestation geflogen waren. Wie würde ich mir vorkommen, hier an den Boden gefesselt, wenn Leandra dort oben flog?
»Den Legenden nach sind sie auch am Boden schneller als ein Pferd«, sagte sie. Aber ich wusste, dass sie fliegen wollte. Wer von uns träumte nicht davon? »Sehen wir erst einmal, ob es ihn noch gibt. Vielleicht ist das arme Tier auch so verkrüppelt, dass es eine Gnade wäre, es zu töten«, sagte ich.
7. Ein Greif in Not
Ganz so einfach war es nicht, dieses Tier zu Gesicht zu bekommen. Nachdem der Greif die Essera Faihlyd beinahe getötet hatte, war er eine noch größere Sensation als vorher. Als wir uns dem Marktplatz näherten, sah ich, dass ein Teil der Fläche mit einem schweren Hanfseil abgesperrt war. Die Pfosten, zwischen denen sich das Seil spannte, waren zwischen die steinernen Bodenplatten getrieben worden und trugen auf Tafeln eine grobe Zeichnung des Vorfalls: ein Greif, der eine junge Frau zerfleischte und ihre Eingeweide mit seinen Krallen aus ihrem weit geöffneten Bauch zog.
»Nur ein Kupferstück, Esseri, und Ihr könnt die grausame Bestie mit eigenen Augen erblicken!«, rief ein Junge mit heiserer Stimme. »Nur ein Kupferstück, und Ihr seht das Tier, das die Hoffnung Gasalabads ermordete! Ein Kupferstück nur, und Ihr könnt in Furcht vor seinem mörderischen Anblick erzittern!«
An anderer Stelle gab es einen kleinen freien Bereich. Dort verkündete mit dem Geleit von Trommeln ein Tafelsänger das Geschehen, zeigte mit einem Stock auf grobe Zeichnungen, angebracht auf einer großen Tafel, während er in grausigen Details beschrieb, was mit Faihlyd geschehen war.
Ich wusste nicht, warum ich überrascht war, etwas anderes hatte ich von dieser Stadt ja wohl nicht erwarten können. Der Vorfall lag nicht lange zurück, dennoch hatte er nun schon epische Ausmaße angenommen. Der Greif hatte die arme Tochter des geliebten Emirs fast in tausend Stücke gerissen, und das Wunder Soltars bestand auch darin, dass der Priester die Gliedmaßen wieder mit dem Garn annähen musste, das ihm ein geheimnisvoller Fremder zu diesem Zweck brachte.
Zu meinem Schreck fand ich auch mich selbst dargestellt, eine unheilvolle Gestalt in einer schwarzen Robe, eine Tafel zeigte eine Augenpartie mit Augen, in denen man Sterne sah.
Ein Gutes hatte das. Niemals würde jemand mich mit dieser drohenden Figur in Verbindung bringen.
»… und so reichte der Engel des Todes dem Chirurgen das himmlische Garn, auf dass die Prinzessin dem Tode entkam«, rief der Junge mit lauter, heiserer Stimme über die gedrängte Menschenmenge hinweg.
»Engel des Todes, hm?«, sagte Janos mit einem grinsenden Seitenblick. »Ich fand Dunkelhand nicht schlecht, aber ich gebe zu, dass das einen besseren Klang hat. So erhaben.«
Wäre ich tatsächlich der Engel des Todes, hätte ihn mein Blick sicherlich direkt durch Soltars Tor geschossen.
»Meine Güte«, sagte Sieglinde. »Seht ihr diese Menschenmenge? Sie werden in einer Reihe an dem armen Vieh entlanggeführt … Das müssen Hunderte sein! Ein Kupferstück pro Person … Der Schausteller macht ein Vermögen! Wie steht das Kupfer zum Silber und Silber zum Gold?«
»Ich glaube, wie bei uns. Vierzig Kupfer ein Silber, zwanzig Silber
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