Das Auge der Wüste: Das Geheimnis von Askir 3 (German Edition)
Bewegung in die Menschenmenge. Zuerst sah es nur so aus, als ob die Menschen auswichen, dann sah ich, wie sich die Köpfe und Rücken beugten.
Eine mit kostbarem Brokat verzierte Sänfte glitt auf den Schultern von acht kräftigen Soldaten durch die Menge.
»Schöner Auftritt«, flüsterte Janos, als die Soldaten über das Seil traten und die Sänfte zwischen uns und der Menge absetzten. Die Soldaten musterten uns mit einem finsteren Blick, einer von ihnen vollführte eine schiebende Geste. Ich berührte Leandra an der Schulter und bedeutete ihr zurückzuweichen, ich tat es ebenfalls, Janos und Sieglinde folgten. Ich hatte durch den feinen Stoff an der Vorderseite der Sänfte eine Gestalt erkannt.
Auch die Menschenmenge wich nun zurück. Eine schlanke Hand schob den Vorhang zur Seite, und dann verließ die Essera Faihlyd die Sänfte.
»Wer ist das?«, fragte Janos neugierig.
»Faihlyd«, zischte ich zurück. »Und verbeugt euch alle tiefer!«
Von allen Menschen in Sichtweite hatten wir unsere Köpfe am wenigsten gebeugt, aber Janos hätte sie beinahe direkt angesehen. Leandra … Ich seufzte. Leandra kam natürlich nicht auf die Idee, den Blick zu senken.
Der Schausteller hatte sich der Länge nach auf den Boden geworfen, auch der Pfleger war auf ein Knie gegangen, der Spieß lag neben ihm auf dem Boden, er hielt sorgsam die Hände zur Seite.
Der Greif erblickte Faihlyd und stieß ein leises Geräusch aus.
Faihlyd sah zu dem Tier hinüber, und der Greif neigte sein Haupt, als ob auch er sich verbeugen würde. Ein Raunen lief durch die Menschenmenge. Ich war sprachlos.
Die Prinzessin ließ ihren Blick langsam über die Menschen wandern, noch tiefer senkten sich die Köpfe, und es war totenstill.
Dann sprach sie mit leiser Stimme, gerade laut genug, um zu tragen. »Ich danke allen unter euch, welche für mich gebetet haben. Der Gott Soltar erhörte euer Gebet, und so stehe ich nun wieder vor euch, geheilt von der Wunde.« Sie machte eine kleine Geste. »Mein Volk soll sich erheben, Hauptmann. Alle bis auf jene, die dem Schausteller dienen, und den Schausteller selbst.«
Mit einem Murmeln erhob sich die Masse, jeder wusste nun, dass etwas Außergewöhnliches bevorstand.
Die Prinzessin wandte sich an uns, und über dem Schleier zog sie eine Augenbraue hoch, als sie Leandras offenen Blick bemerkte. »Ihr verbeugt Euch nicht leicht, Essera«, sagte sie in ihrer weichen Stimme.
Leandra zögerte kurz, dann senkte auch sie ihr Haupt.
»Steht gerade«, sagte Faihlyd. »Wenn Ihr mich nicht kennt, warum solltet Ihr mir dann Respekt zollen?«
Bevor Leandra antworten konnte, hatte sich Faihlyd wieder an die Menge gewandt. »Aber ihr kennt mich, nicht wahr? So wie auch dieser Schausteller mich kennt und alle, die ihm dienen. Ich ließ nachfragen, ein jeder von ihnen ist in unserem Land geboren. Und so schulden sie mir zumindest den Respekt, den mein Haus verdient und mein verehrter Herr Vater, der Emir dieser Stadt, dessen Tochter ich bin.«
Totenstille herrschte an dieser Stelle des Marktes, selbst in der Entfernung sah ich, dass die Leute herübersahen, auch dort, wo man sie nicht hören konnte, wurde es leiser.
»Respekt zollt man auf vielerlei Art«, fuhr sie bedächtig fort. Ich bewunderte ihre Stimme. Sie sprach nicht laut, aber mit der Klarheit eines Herolds. Priester lernten so zu sprechen, Herolde und auch Könige. Oder Generäle. »Ein gerader Rücken, ein erhobenes Haupt und ein klarer Blick sind nicht respektlos. Manchmal sind sie sogar die größte Respektbezeugung.« Wieder hielt sie inne, ließ ihren Blick schweifen und auf dem Pfleger ruhen. Die Menge bemerkte es und sah nun den Pfleger ebenfalls an. Der Mann sank der Länge nach auf die Steinplatten, und Schweiß rann ihm in Bächen von der Stirn. »Aber wenn man hasst oder kein Gefühl kennt, hat man auch keinen Respekt«, sagte sie. »Man verbeugt sich, weil man sich verstecken will. Weil man feige ist. So feige, dass man ein unschuldiges Tier dazu missbraucht, eine Tochter des Löwen niederzustrecken.«
Die Schultern des Mannes am Boden spannten sich an.
Ein Raunen ging durch die Menge. Die Blicke auf den Mann wurden finster. Ich spürte, dass die Menschen verstanden, was ihre Prinzessin sagte, und wie sich Wut aufbaute. Ich merkte, wie sich die Haare in meinem Nacken aufstellten.
»Mein Vater ließ das Urteil über den Mörder bereits verkünden. Aber der Mörder ist nicht der Greif, sondern dieser Mann. Ergreift ihn!«
Zwei Soldaten
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