Das Auge des Basilisken
und das Publikum machte einen solchen Lärm, daß sie wild wurden und fünf Menschen töteten. Engländer natürlich. Trotzdem bedauerlich. – Nun, das wäre ungefähr alles, was ich Ihnen zu sagen habe. Ich dachte mir, Sie würden gern erfahren, wie die Lage ist, und ich wollte Sie einmal beisammen haben, um mir einige von Ihnen aus der Nähe anzusehen. Ich bin mir darüber im klaren, daß ich ein Glückspilz bin, weil ich weiß, was zu tun ist. Ich habe etwas, was meinem Leben als Maßstab dienen kann – die Werte und Regeln der Institution, deren Teil ich seit vielen Jahren bin. Tradition. Einige von Ihnen mögen darauf erwidern, daß diese Regeln und Traditionen einiges zu wünschen übrig lassen, und daran mag wohl etwas sein. Aber für mich, für uns, für diese Wachtposten, sind sie besser als nichts, und dieses Nichts ist alles, was Sie haben. Und damit meine ich nicht nur Sie, die hier versammelt sind, noch Ihre Kollegen unten im Keller, sondern alle in diesem Land, die sich nicht als Diener dieser Werte und Traditionen begreifen: es gibt genug davon in der Verwaltung, unter den Bürokraten und ihren Familien, unter den Überwachungseinheiten. In der Armee sieht es ein wenig günstiger aus, aber sie hat nicht genug zu tun. Wir hingegen brauchen uns über Arbeitsmangel nicht zu beklagen, und wir können sie gut oder schlecht tun, unsere Arbeit hat in jedem Fall Bedeutung. Sie alle, die Sie hier sitzen, können nichts, weder ein Geheimnis bewahren noch einen Teller abspülen. Sie können nicht einmal mit einem ordentlichen Wahrsager aufwarten.« Bei diesen Worten blickte er Theodor an. »Übrigens weiß ich, daß sie niemandem weitersagen werden, daß ich diese abfällige Bemerkung über die Verwaltungsleute gemacht habe. Ich bin sicher, daß ich Ihnen vertrauen kann. Nun, wenn niemand irgendwelche Fragen hat …«
Eine stumme Bewegung ging durch die Zuhörer auf den Bänken. Die Wachtposten blickten wieder zu Vanag, der ihnen wieder die Handfläche zeigte. Er sagte ernst:
»Tun Sie sich keinen Zwang an, Herrschaften. Fragen Sie, was Sie wollen!«
»Bitte sagen Sie uns, was mit uns geschehen wird«, sagte eine Stimme.
»Wie schrecklich gedankenlos von mir, natürlich möchten Sie das wissen. Das Schlimme ist, ich kann Ihnen wirklich keine Antwort darauf geben. Es liegt nicht bei mir, sehen Sie; es ist eine Sache, die von den Gerichtshöfen entschieden werden muß. Aber wenn Sie wollen, können wir eine ziemlich erweisliche Vermutung anstellen …?«
»Bitte«, sagte die Stimme.
»Sehr gut. Hier kommt die Erhöhung der Einsätze ins Spiel – es war wirklich unerträglich töricht von mir, das zu vergessen. Ich fürchte, daß Sie sich mit der Annahme der Provokation einen schlechten Dienst erwiesen haben. Die Richter müssen jene Todesfälle, wenn es sich auch um Todesfälle von kriminellen Elementen handelt, mit der gebotenen Strenge ahnden. Versuchen wir noch etwas genauer zu sein: Ich denke, daß jede Art von Exekution getrost ausgeschlossen werden kann. Ja, das ist meine Meinung. Aber wenn es um eine Begrenzung Ihrer Haftstrafen geht, so ist diese beinahe ebenso unwahrscheinlich. Bleibt die Frage nach der Art dieser Haftstrafe. Verbannung würde ich ausschließen – für diejenigen unter Ihnen, die es nicht wissen: Verbannung ist Zwangsaufenthalt in einem oder dem anderen asiatischen Ort. Ja, ich fürchte, daß Sie nicht auf Verbannung hoffen können. Sie wird das Schicksal Ihrer glücklicheren Schicksalsgefährten aus weniger gewalttätigen Distrikten sein. In meiner Voraussicht. Wenn Sie großes Pech haben und der Staatsanwalt energisch darauf drängt, wird es verschärftes Arbeitslager sein, wo die Schwächsten am besten daran sind. Aber … Nein, meine Voraussage würde ein gewöhnliches Arbeitslager sein, in einer nicht allzu kalten Gegend. Schließlich sollen Sie arbeiten, nicht sterben. Wie man mir sagt, ist es möglich, in solchen Lagern ein ganz geregeltes Leben zu führen; naturgemäß hängt das auch vom eigenen Verhalten ab. Noch weitere Fragen?«
Es gab keine.
»Dann wäre das alles. Ich möchte jedem einzelnen von Ihnen dafür danken, daß er oder sie so einfältig war, seine oder ihre Rolle in der einzigen interessanten Inszenierung zu spielen, die mir in elf Jahren bekannt geworden ist. Interessant nicht nur in sich selbst, sondern auch als Ansatzpunkt für eine lang erhoffte Beförderung. Man hat mir inoffiziell zu verstehen gegeben, daß ich im Zuge der Erweiterung meines
Weitere Kostenlose Bücher