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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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ein weiterer Diener brachte ihm eine Tasse Kaffee und einen Zwieback auf einem silbernen Tablett, und seine im Haus lebende Sekretärin ging den neuen Versandkatalog von Harrods mit ihm durch. Als er wieder auf den Vorhof hinaustrat, war der Geländewagen verschwunden und der in Schwarz und Silber schimmernde Rolls Royce erwartete ihn. Der Wagen war gepanzert und kugelsicher, aber das war im Hinblick auf seine Person nichts als ein angenehmer Anachronismus; daß jemand ein Attentat auf ihn verüben könnte, erschien ihm so abwegig wie die Annahme, eine Schildwache könnte plötzlich das geschulterte Gewehr herunterreißen und einem Passanten das Bajonett in den Leib rennen. Er stieg ein; der Fahrer schloß die Tür.
    Um acht Uhr achtundzwanzig betrat er das frühere Rathaus, das nun die Büros der Sicherheitsabteilung beherbergte. Einen ersten Aufenthalt gab es am Informationsbildschirm, aber wie er erwartet hatte, gab es dort nichts, was sowohl neu wie auch bedeutsam war, und den Datenausdruck, der ihm von einem Angestellten gereicht wurde, wies er abwinkend zurück. Ein Anruf in seinem Büro ergab, daß auch dort keine Neuigkeiten vorlagen. Darauf nahm er den Aufzug zum zweiten Stock. Oben standen zwei bewaffnete Posten, bewaffnet nicht mit Bajonetten und dergleichen, sondern mit Maschinenpistolen. Zwei weitere Posten standen vor einer vergitterten Doppeltür. Vanag ging an ihnen vorbei und durch einen schmalen Korridor zu einer kleineren, gleichfalls bewachten Tür. Hinter dieser führte eine kurze Treppe zu einer schmalen Bühne hinauf; leichtfüßig eilte er die Stufen hinauf und trat an ein Vortragspult in der Bühnenmitte. Auf die Leseoberfläche des Pultes legte er ein Blatt mit Notizen. Die Wand hinter ihm zeigte eine große Weltkarte mit der Union in Rot, den Verbündeten in Blau, den nicht eingegliederten demokratischen Republiken in Grün und den neutralisierten Staaten in Gelb.
    Er stand in einem Vorlesungssaal, der ungefähr einhundertfünfzig Personen Platz bot. Die ansteigenden Bankreihen waren voll besetzt mit Männern (auch einige Frauen waren darunter), die unrasiert und ungekämmt und noch schmutziger als gewöhnlich waren. Ihre Mienen waren ängstlich und feindselig, aber vorwiegend ängstlich. Für den Fall, daß die vorhandene Feindseligkeit eine aktive Form annehmen sollte, waren acht bewaffnete Posten entlang den Wänden verteilt und hielten die Maschinenpistolen wie zufällig auf das Publikum gerichtet. Ihr Zweck war es nicht, einen jähen, vorher verabredeten Ansturm auf Vanag zurückzuschlagen, indem sie deutlich machten, daß die ersten zwanzig oder mehr Angreifer mit Sicherheit den Tod finden würden, sondern um sicherzustellen, daß sie eher alle umkommen würden, als daß es ihnen gelingen könnte, Hand an ihn zu legen. Er hielt einen solchen Angriff für äußerst unwahrscheinlich; nichtsdestoweniger hatte er auf dem Prinzip der Vermeidung unnötiger Risiken eine sehr erfolgreiche Karriere aufgebaut.
    »Nun, ich muß sagen, daß ich nicht gerade von Leistungsbewußtsein durchdrungen bin, wenn ich Sie so betrachte«, begann er ohne Vorrede in seiner klaren, hohen Stimme. »Was ich sehe, ähnelt für meinen Geschmack zu sehr einer Razzia in einer Blindenanstalt. Schade um die Mühe und den Aufwand. Nun, ich habe einige von Ihnen hier heraufkommen lassen, weil ich Sie mir ansehen möchte. Im Keller hätte ich Sie nicht so gut sehen können. Ich fürchte, es ist dort nicht sehr bequem, aber das ist schließlich auch nicht der Zweck der Sache. Wie auch immer, wahrscheinlich wissen Sie es zu schätzen, statt dessen für kurze Zeit hier oben zu sein. Ich bedaure, daß es nur eine kurze Zeit sein wird. Gleichwohl mußten wir einige ziemlich lästige Vorkehrungen treffen, wie Sie sehen können. Aber ich dachte, das sei es wert, um einige von Ihnen aus der Nähe zu betrachten.«
    Direktor Vanag ließ seinen Blick über die Bankreihen schweifen, da und dort ein wenig verweilen, und je länger seine Inspektion sich hinzog, desto heiterer wurde er, bis er nicht länger an sich halten konnte und laut loslachte; bald schüttelte er sich vor Lachen, krümmte den drahtigen kleinen Körper und schlug mit der Faust auf das Pult. Er schien einer Heiterkeit Luft zu machen, die von Bosheit völlig frei war, wie jemand, der sich an den Possen eines außerordentlich talentierten Komödianten erfreut. Wenigstens einer unter den Zuhörern hatte dieses Lachen bei anderer Gelegenheit schon gehört: Theodor.

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