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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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essen möchtest.«
    »Danke, meine Liebe.«
    »Nicht der Rede wert. Und wo möchtest du essen?«
    »Wie? Ach, im Speisezimmer.« Seine Stimme verriet Überraschung.
    »Gut«, sagte Nina mit einiger Anstrengung, das Gesicht noch immer abgewendet; es wäre jetzt nicht gut, Erheiterung zu zeigen. »Hattest du einen schönen Tag?«
    »Todlangweilig wie gewöhnlich. Nina, als ich heute nachmittag vom Quartier nach Hause kam, tat ich … etwas sehr Böses.«
    Sofort blickte sie ihm ins Auge, und jede Spur von Leichtfertigkeit war verflogen. »Was? Was hast du getan?«
    »Ich … ich habe ein Schaf gejagt.«
    »Ach. Das hört sich nicht sehr schrecklich an.«
    »Ich ritt Polly, weißt du. In dem Wiesengelände jenseits der Landstraße weiden mehrere Schafherden …« – er deutete die Richtung mit einer Armbewegung an – »und ich muß Hunderte von Malen an ihnen vorbeigeritten sein, ohne daß es mir je in den Sinn gekommen wäre, sie zu jagen, aber heute tat ich es, und als ein Tier sich von der Herde löste, konzentrierte ich mich darauf und jagte es bis zur Erschöpfung, ritt es beinahe über den Haufen, und schließlich blieb es stehen und stieß einen solchen Schrei aus … oh, Nina, stell dir vor, welche Todesangst es ausgestanden haben muß.«
    Er weinte und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Nachdem Nina mit hochgezogenen Brauen zum Himmel aufgeblickt hatte, ging sie zu ihm und legte ihm den Arm um die Schulter.
    »Inzwischen wird es alles vergessen haben«, sagte sie ruhig. »Da kannst du ganz sicher sein.«
    »Wie könnte ich sicher sein? Und selbst wenn es den Schrecken vergessen haben sollte, bleibt doch meine Schuld, nicht wahr? Ich habe es getan, und es ändert nichts an der Grausamkeit der Handlung, wenn das Tier sie inzwischen vergessen hat.«
    »Ja, du hast recht. Aber wir müssen dankbar sein, daß es nichts Schlimmeres war. Und du hast daraus gelernt, wie übel dir zumute ist, wenn du grausam gewesen bist, und das wird dir helfen und dich ein anderes Mal rechtzeitig zur Besinnung bringen.«
    »Ja, das wird es. Und ich meine auch, daß das Tier vergessen haben wird, nicht wahr?«
    »Aber ja«, sagte sie mit Zuversicht. »Es wird jetzt Zeit, daß ich gehe und mich umziehe, und du solltest daran denken, das gleiche zu tun. Möchtest du ein Glas Orangensaft?«
    »Eine wunderbare Idee.« Er trocknete sich die Augen an einem seidenen Taschentuch.
    »Ich werde es heraufschicken lassen.«
    »Nina, es gibt keinen Zweifel, daß du die unvergleichlichste aller Schwestern bist.«
    Er umarmte sie, wobei er ihren Kopf wegen seiner größeren Höhe an die Brust drücken konnte. Unbemerkt von ihm schürzte sie die Lippen, machte sich nach einem Augenblick los und ging. Nach kurzem Überlegen folgte er ihr bis ins Treppenhaus, wo er sich über das Geländer beugte und mehrere Male den Namen »Brevda!« brüllte. Andere Stimmen nahmen den Ruf auf und gaben ihn weiter, und nach nicht allzu langer Zeit waren eilige Schritte zu vernehmen. Alexander verließ den Treppenabsatz und schaute aus dem östlichen Fenster, den Rücken zur Galerie. Die Schritte näherten sich, wurden langsamer, und eine unsichere männliche Stimme sagte hinter ihm:
    »Sie haben mich gerufen, Herr Fähnrich?«
    »Ja, Brevda. Würden Sie so gut sein, das Bad einlaufen zu lassen und dann, während ich bade, meine Ausgehuniform bereitzulegen?«
    »Mit großem Vergnügen, Herr Fähnrich.« Brevda sprach bereitwillig, vielleicht sogar beflissen; seines Meisters kaum weniger übliche Praxis war es, sich in einfachen Imperativen und einer entsprechenden Haltung auszudrücken. Er beklagte sich nie, noch zeigte er die leiseste Verdrießlichkeit; beides wäre im besten Falle nutzlos gewesen, denn Brevda war Soldat und Alexanders Offiziersbursche, in einer Periode der Personalknappheit auf unbestimmte, aber allzu leicht zu beendigende Zeit abkommandiert zum elterlichen Haushalt. Gleichzeitig hatte man sich daran gewöhnt, daß er etwas wie echte Achtung und Aufmerksamkeit zeigte, jedenfalls mehr als seine Stellung verlangte. Nun stand er in neuerlicher Unsicherheit und überlegte, ob er sich als entlassen betrachten sollte oder nicht. Alexander hatte sich noch immer nicht umgewandt. Nach einer kleinen Weile sagte er:
    »Ich finde, man sollte das Leben nehmen, wie es kommt, und nicht jede Einzelheit aus jedem möglichen Blickwinkel betrachten, nicht wahr, Brevda?«
    »Das wäre tatsächlich ein beschwerliches Verfahren, Herr Fähnrich.«
    »Jedenfalls erhöht

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