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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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Lieber«, sagte Theodor Markow in seinem melodiösen Tonfall.
    »Freut mich, Sie zu sehen, alter Kunde«, versetzte Korotschenko, als er ziemlich widerwillig des anderen Hand ergriff. Hätte er sich seiner Sache sicherer gefühlt, so wäre er auf die Vertraulichkeit des anderen nicht eingegangen, hätte ihm vielleicht sogar den Handschlag verwehrt, denn er war ein Gegner der vorherrschenden liberalen Mode, flüchtige Bekannte in jener saloppen Art von falscher Vertraulichkeit zu begrüßen, die man den Engländern abgeguckt hatte. Aber er war von den übrigen Teilnehmern der Abendgesellschaft ein wenig eingeschüchtert: Verwaltungschef Petrowsky, der sein Gastgeber war, und Oberstleutnant Tabidze, der Militärkommandeur des Distrikts. Der kühle Blick, mit dem Frau Tabidze ihn bei der Vorstellung bedacht hatte, war auch nicht dazu angetan gewesen, seine Selbstsicherheit zu festigen, wenn es ihm auch im allgemeinen gleich war, was Frauen von ihm dachten. Insgesamt hatte sich gezeigt, daß der Eingewöhnungsprozeß in seinem neuen Amt (er war erst im vorausgegangenen Monat eingetroffen) nicht ohne Ärger und Verdrießlichkeiten blieb.
    In seiner nicht allzu fernen Jugend hatte Sergej Petrowsky als der ansehnlichste Mann in Moskau gegolten, und noch heute verriet seine Haltung die Energie eines jungen Mannes, und seine Gesichtsfarbe war frisch und rosig, mochten das lohfarbene Haar und der ordentlich gestutzte Vollbart auch von breiten grauen Strähnen durchzogen sein. Mit einem Lächeln, das ausgezeichnete Zähne zeigte, sagte er zu dem soeben eingetroffenen Theodor Markow, der gerade ein Glas Wodka vom Tablett eines Dieners genommen hatte.
    »Kippen Sie den und nehmen Sie gleich noch einen, mein Junge! Diese lächerlich kleinen Gläser fassen nicht mehr als einen Teelöffel.«
    »Ich bedanke mich«, sagte sein Gast und tat wie geheißen. »Auf Ihre gute Gesundheit!«
    »Hoffen wir das Beste. Nehmen Sie von dem Beluga – ich kann ihn wirklich empfehlen – und dann kommen Sie und unterhalten Sie sich mit meiner Tochter. Ich fürchte, ich muß schon aus reinem Selbstschutz darauf bestehen. Wenn es mir nicht gelingt, einen jungen Mann ohne Anhang in ihre Richtung zu steuern, bekomme ich es auf Jahre hinaus zu hören. – Nina, mein liebes Kind, ich glaube, ich sagte dir, daß Herr Markow Mitglied unserer berühmten Kommission ist.«
    Nina hatte ein Abendkleid in ihrem bevorzugten Hellila angelegt. Es ließ ihre Arme frei und enthüllte damit eine große Zahl von Sommersprossen, aber ihre übrige Erscheinung und ihre Haltung verhüteten, daß sie als Makel empfunden wurden. Sie fand Gefallen an Theodor Markows Mund und seinen Händen und dachte, daß seine Geheimratsecken ihn nur um so reifer und klüger erscheinen ließen.
    »Ja, Papa«, sagte sie. »Erzählen Sie mir, Herr Markow, in welcher Abteilung Sie arbeiten? Oder ist das ein Geheimnis?«
    Theodor beantwortete ihr Lächeln mit einem eigenen. »Nichts, was wir tun, ist ein Geheimnis. Das ist das Charakteristische an uns. Ich bin in der Musikabteilung.«
    »Musik?« sagte Nina überrascht, fing sich aber rasch. »O ja, ich denke, es muß da einiges geben.«
    »Es gibt eine ganze Menge, und manches davon ist sehr interessant, glauben Sie mir.«
    »Sie spielen nicht zufällig Klavier, Herr Markow?«
    »Ich spiele nicht zufällig Klavier«, entgegnete er lächelnd. »Ich spiele absichtsvoll, zweckbestimmt und ziemlich gut. Nicht sehr gut, bloß ziemlich gut. Gut genug für Sie, Fräulein Petrowsky, das glaube ich ohne Übertreibung sagen zu können.«
    »Möglicherweise. Aber das ist wunderbar! Sie müssen nach dem Essen für uns spielen und uns einige Ihrer Entdeckungen hören lassen. Klaviermusik – in dieser Gegend können wir von Glück sagen, wenn wir zweimal im Jahr Gelegenheit dazu haben.«
    »Ich schlage vor, daß wir vielleicht die Erlaubnis Ihres Vaters …«
    »Ich gebe keine Erlaubnisse«, sagte Petrowsky. »Ich erfahre, was geschehen soll, und begrüße es entweder von Herzen, wie in diesem Fall, oder schicke mich mit allem Anstand, der mir zu Gebote steht, ins Unvermeidliche. Ich darf Ihnen sagen, mein lieber Markow, daß Ihre einzige Chance, sich heute abend nicht auf dem Klavierhocker wiederzufinden, in dem Augenblick entschwand, als Sie enthüllten, daß sie es spielen können. Ich freue mich sehr auf die Aussicht. – Nina, bist du sicher, daß Alexander uns heute abend mit seiner Gesellschaft beehren wird?«
    »Ich bin jedenfalls sicher, daß er

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