Das Auge des Leoparden
Håkansson.
»Menschen wie dich schickt der schwedische Staat also ins Ausland«, sagt Hans Olofson.
»Ich bin ein guter Entwicklungshelfer«, entgegnet Lars Håkansson. »Ich habe einen ausgezeichneten Ruf bei SIDA .«
»Auch dann noch, wenn sie hiervon erfahren?« fragt Hans Olofson.
»Niemand würde dir glauben«, antwortet Lars Håkansson. »Niemand würde der Sache nachgehen. Hier zählen nur die Ergebnisse, wir haben alle unser Privatleben. Sich auf moralische oder idealistische Aspekte zu berufen liegt jenseits der politischen Realitäten.«
»Jemand wie du hat es nicht verdient zu leben«, sagt Hans Olofson. »Ich sollte dich umbringen, hier und jetzt.«
»Aber das wirst du nicht tun«, entgegnet Lars Håkansson und steht auf. »Jetzt mußt du wirklich gehen. Nimm dir ein Zimmer im
Elephant’s Head
und schlaf dich aus. Morgen wirst du nicht mehr so erregt sein.«
Hans Olofson rafft die Bilder an sich und geht hinaus, Lars Håkansson folgt ihm.
»Ich werde ein paar dieser Bilder an SIDA schicken«, sagt Hans Olofson. »Sie sollen davon erfahren und werden es nicht ignorieren können.«
»Diese Aufnahmen werden sich niemals mit mir in Verbindung bringen lassen«, antwortet Lars Håkansson. »Eine peinliche Anschuldigung von einem schwedischen Eierproduzenten, der zu lange in Afrika gelebt hat. Man wird die Angelegenheit zu den Akten legen, die Sache löst sich in Wohlgefallen auf.«
Außer sich vor Wut setzt Hans Olofson sich in den Wagen, dreht den Zündschlüssel und schaltet die Scheinwerfer an. Lars Håkansson steht in seinem Seidenpyjama vor ihm, etwas Weißes, das in der afrikanischen Nacht glänzt. Ich komme nicht an ihn heran, denkt Hans Olofson und legt den Rückwärtsgang ein.
Dann überlegt er es sich anders, legt den ersten Gang ein, tritt das Gaspedal durch und schießt mit dem Wagen direkt auf Lars Håkansson zu. Als er den Mann überfährt, schließt er die Augen. Der Aufprall und das Rucken in der Karosserie sind gedämpft. Ohne sich noch einmal umzudrehen, fährt er zum Eingangstor, wo der Nachtwächter immer noch schläft und der angeschmorte Gummistiefel stinkt. Hans Olofson schiebt das Tor auf und verläßt Kabwe.
In diesem Land hängt man Mörder, denkt er verzweifelt. Ich muß sagen, daß es ein Unfall war, daß ich furchtbar verwirrt war und deshalb einfach weggefahren bin, ohne zu melden, was passiert ist. Ich bin entschuldigt, da ich vor kurzem Opfer eines grauenhaften Überfalls geworden bin. Ich bin müde, überarbeitet.
Er fährt in dem Gefühl nach Kalulushi, daß er seine Tat bereuen sollte, aber es will ihm nicht gelingen. Er ist sicher, daß Lars Håkansson tot ist.
Im Morgengrauen biegt er von der Hauptstraße ab und hält an. Die Sonne geht über einer endlos weiten Ebene mit Elefantengras auf. Er verbrennt die Bilder von Peggy und Marjorie, und der warme Wind weht die Asche davon.
Er denkt, daß er zwei Menschen getötet hat, vielleicht sogar drei, auch wenn er sich in diesem Punkt nicht sicher sein kann. Peter Motombwane war der vielleicht beste Mann in diesem Land, denkt er. Lars Håkansson war ein Untier.
Einen Menschen zu töten ist etwas Unfaßbares. Wenn ich damit leben will, muß ich mir einreden, daß ich Peter Motombwanes Tod sühnte, indem ich mit dem Wagen frontal auf Lars Håkansson zufuhr. Es ist ein Stück Wiedergutmachung, auch wenn sich dadurch im Grunde nichts ändert.
In den beiden folgendenWochen wartet er auf die Polizei, und die Angst zehrt ihn aus. Er überläßt möglichst viel seinen Vorarbeitern und sagt ihnen, er leide an Malariaanfällen. Patel schaut vorbei, und Hans Olofson bittet ihn um ein Schlafmittel. Von da an schläft er traumlos und wacht oft erst auf, nachdem Luka schon längere Zeit an die Küchentür geklopft hat.
Eigentlich sollte er Joyce Lufuma besuchen und mit ihr reden. Aber was soll ich ihr sagen. Ich kann warten, denkt er, bis die Polizei in einem ihrer schrottreifen Wagen vorfährt und mich mitnimmt. Vielleicht muß ich ihnen sogar noch Benzin überlassen, damit sie mich fortbringen können?
Nach zwei Wochen erzählt Luka, daß Peggy und Marjorie mit dem Bus aus Lusaka zurückgekehrt sind.
Er ist vor Angst wie gelähmt. Jetzt kommt die Polizei, denkt er. Jetzt ist es vorbei.
Aber die einzigen, die zu ihm kommen, sind Peggy und Marjorie. Sie stehen in der prallen Sonne vor dem schummrigen Lehmverschlag, in dem er über seinen Papieren hockt. Er geht zu ihnen hinaus und fragt, warum sie zurückgekommen
Weitere Kostenlose Bücher