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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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zu haben und jeden Abend zu kontrollieren, daß er geladen ist und daß die Trommel sich dreht.
    Er geht durch das stille Haus und fragt sich, wohin er eigentlich zurückkehrt. Sind achtzehn Jahre zu lang? Über das, was in Schweden inzwischen geschehen ist, weiß er so gut wie nichts. Er setzt sich in das Zimmer, das er sein Arbeitszimmer nennt, macht das Licht an und überprüft, daß die Vorhänge zugezogen sind.
    Wenn ich die Farm verkaufe, werde ich eine Menge
kwacha
-Scheine bekommen, die ich weder mitnehmen noch umtauschen kann. Patel wird mir zwar weiterhelfen können, aber er wird es sich nicht nehmen lassen, mindestens fünfzig Prozent der umgetauschten Summe für sich zu verlangen. Auf einer Bank in London habe ich jedenfalls Geld, auch wenn ich nicht genau weiß, wieviel es ist. Ich gehe nicht mit leeren Händen.
    Auf einmal überkommen ihn wieder Zweifel, ob der Aufbruch wirklich notwendig ist. Ich muß doch bloß den Revolver unter dem Kissen akzeptieren, denkt er. Die Angst, die nie ganz verschwindet, die Unsicherheit, mit der ich bisher auch gelebt habe.
    Wenn ich weitere fünfzehn Jahre bleibe, kann ich mich zur Ruhe setzen und nach Livingstone oder nach Schweden ziehen. Außer Patel gibt es noch andere, die mir helfen können, für meinen Lebensabend genügend Geld außer Landes zu schaffen.
    In Schweden gibt es nichts mehr, wohin ich zurückkehren könnte. Mein Vater ist schon lange tot, in meiner Heimatstadt wird sich niemand mehr an mich erinnern. Wie soll ich in einer Winterlandschaft überleben, nachdem ich mich an die Hitze Afrikas gewöhnt habe, wie die Sandalen gegen Schneeschuhe eintauschen?
    Für einen Moment spielt er mit dem Gedanken, sein Studium wiederaufzunehmen und die Zeit bis zu seinem fünfzigsten Geburtstag zu nutzen, um das juristische Staatsexamen abzulegen.
    Zwanzig Jahre hat er daran gearbeitet, sein Leben zu formen, nachdem er eher zufällig in Afrika geblieben ist. Wenn er nun nach Schweden zurückgeht, ist es keine Rückkehr. Ich werde noch einmal von vorn anfangen müssen. Aber womit?
    Rastlos läuft er in seinem Zimmer auf und ab. Das Grunzen eines Flußpferds schallt vom Kafue herauf. Wie viele Kobras habe ich während meiner Zeit in Afrika gesehen, fragt er sich. Drei oder vier jedes Jahr, unzählige Krokodile, Flußpferde und Pythonschlangen. Eine einzige grüne Mamba in all den Jahren, die in einen der Hühnerställe eingedrungen war. Einmal habe ich in der Nähe von Mufulira einen Affen überfahren, ein stattliches Pavianmännchen. In Luangwa habe ich Löwen und Tausende von Elefanten gesehen,
pocos
und
kudus
haben große Sprünge im Gras vollführt und hin und wieder meinen Weg gekreuzt. Aber einen Leoparden habe ich niemals gesehen, nur seinen Schatten in jener Nacht erahnt, in der Judith Fillington mich bat, ihr auf der Farm zu helfen.
    Wenn ich fortgehe, wird Afrika für mich verblassen wie ein eigenartiger Traum, der einfach kein Ende nehmen wollte, bis er einen entscheidenden Teil meines Lebens beherrschte. Was soll ich von hier mitnehmen? Ein Huhn und ein Ei? Den Holzstab mit einer Inschrift, den ich unten am Fluß gefunden habe, einen vergessenen Zauberstab? Oder soll ich Peter Motombwanes heiliges
panga
mitnehmen und den Menschen daheim die Waffe zeigen, mit der zwei meiner Freunde zerstückelt wurden und die eines Nachts auch über meiner Kehle erhoben werden sollte? Soll ich meine Taschen mit roter Erde füllen?
    Ich trage Afrika in mir wie Trommeln, die nachts in der Ferne geschlagen werden. Einen Sternenhimmel, wie ich ihn so klar noch nie erlebt habe. Die Veränderungen der Natur auf dem siebzehnten Breitengrad. Der Geruch von Holzkohle, meine Arbeiter, die immer nach altem Schweiß riechen. Joyce Lufumas Töchter, die sich hintereinander mit ihren Lasten auf dem Kopf nähern …
    Ich kann Afrika erst verlassen, wenn ich mit mir selbst und der Tatsache, fast zwanzig Jahre hiergeblieben zu sein, im reinen bin. Das Leben ist, wie es ist. Ich wäre sicher nicht glücklicher geworden, wenn ich mein Studium beendet und mein Leben in der Welt des schwedischen Rechtswesens verbracht hätte. Es gibt so viele Menschen, die davon träumen, ins Ausland zu gehen. Ich habe es getan und kann mit Fug und Recht behaupten, daß mir das eine oder andere geglückt ist. Es hat keinen Sinn, meine achtzehn Jahre in Afrika nicht als etwas zu akzeptieren, wofür ich trotz allem dankbar sein kann.
    Im Grunde meines Herzens weiß ich, daß ich aufbrechen muß. Die beiden

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