Das Auge des Leoparden
schon gefährlich sein?« fragt Hans Olofson.
»Es gibt Männer, die morden und stehlen,
bwana
«, antwortet der Nachtwächter.
»Ich habe keine Angst«, sagt Hans Olofson.
Das stimmt sogar, denkt er, als er aus der Einfahrt auf die Straße biegt. Was ich jetzt empfinde, ist stärker als die Angst, mit der ich so lange gelebt habe.
Er fährt aus der Stadt heraus und zwingt sich, nicht zu schnell zu fahren, weil er nicht riskieren will, mit dem Wagen eines Afrikaners zusammenzustoßen, der womöglich keine Scheinwerfer mehr hat.
Wie leicht ich ihm auf den Leim gegangen bin, denkt er. Ich lerne einen Schweden kennen und lehne mich sofort an seine Schulter. Vertrauenswürdig stand er vor meinem Haus und wollte eine Anhöhe auf meinem Land kaufen.
Viel zu schnell war er bereit, Peggy und Marjorie in seinem Haus aufzunehmen. Womit hat er sie gefügig gemacht? Mit Geld oder mit Drohungen? Oder etwa mit beidem? Es gibt im Grunde keine angemessene Strafe, denkt er. Aber ich muß verstehen, wie sich ein Mensch so verhalten kann wie er.
Auf halbem Weg zwischen Lusaka und Kabwe kommt er an eine Straßensperre des Militärs. Er bremst und hält am Kontrollposten. Soldaten in Tarnuniformen und mit Helmen kommen im Scheinwerferlicht mit erhobenen Maschinengewehren auf ihn zu. Er kurbelt die Scheibe herunter, und einer der Soldaten, sehr jung und sehr betrunken, bückt sich und schaut in das Auto. Er fragt, wohin Hans Olofson unterwegs ist.
»Ich fahre nach Hause«, antwortet Hans Olofson freundlich, »nach Kalulushi.«
Der Soldat befiehlt ihm auszusteigen. Jetzt sterbe ich, denkt er. Er wird mich erschießen, nur weil es Nacht ist und er betrunken ist und sich langweilt.
»Warum fahren Sie mitten in der Nacht nach Hause?« fragt der Soldat.
»Meine Mutter ist krank geworden«, antwortet Hans Olofson.
Der Soldat stiert ihn lange aus glasigen Augen an, das Maschinengewehr auf Hans Olofsons Brustkorb gerichtet. Dann winkt er mit dem Gewehr. »Weiterfahren«, sagt er.
Hans Olofson setzt sich wieder in den Wagen, vermeidet unvorsichtige Bewegungen und fährt langsam davon.
Diese afrikanische Unberechenbarkeit, denkt er. Ein bißchen habe ich in all den Jahren doch gelernt. Wenn es nicht mehr hilft, seine Mutter zu erwähnen, dann hilft gar nichts mehr …
Vorsichtig beschleunigt er und fragt sich, ob man als Weißer jemals einsamer sein kann als an einer Straßensperre in der afrikanischen Nacht.
Als er Kabwe erreicht, ist es kurz vor vier. Fast eine Stunde fährt er durch die Gegend, ehe er ein Schild entdeckt, auf dem
Department Guest-House
steht.
Er hat nur beschlossen, Lars Håkansson zu wecken und ihn mit den Bildern zu konfrontieren, die in seiner Tasche stecken. Vielleicht werde ich ihn schlagen, denkt er. Oder werde ich ihm ins Gesicht spucken?
Vor der Einfahrt zum Gästehaus schläft ein Nachtwächter. Einer der Gummistiefel des Mannes riecht verschmort, weil er damit zu nahe an sein Lagerfeuer gekommen ist. Neben ihm liegt eine leere Flasche
lituku
. Hans Olofson rüttelt den Mann, ohne ihn wach zu bekommen.
Schließlich schiebt er das Tor selber auf, fährt hinein und entdeckt sofort Lars Håkanssons Auto vor einem der kleinen Gästehäuser. Er parkt neben dem weißen Wagen und schaltet Motor und Scheinwerfer aus.
Lars Håkansson, denkt er. Jetzt bist du dran.
Dreimal muß er an die Tür klopfen, ehe er Lars Håkanssons Stimme hört.
»Ich bin es, Hans Olofson«, sagt er. »Ich muß etwas mit dir besprechen.«
Er kann sich bestimmt denken, worum es geht, fährt es ihm durch den Kopf. Vielleicht bekommt er Angst und macht nicht auf?
Aber Lars Håkansson öffnet die Tür und läßt ihn herein. »Du bist es«, sagt er. »Das ist ja eine Überraschung. Aber mitten in der Nacht? Wie hast du mich überhaupt gefunden?«
»Durch deinen Nachtwächter«, antwortet Hans Olofson.
»Es gibt hier einen Militärbefehlshaber, der sich in den Kopf gesetzt hat, sein Bruder sei der geeignete Unternehmer, um die Fundamente für die Sender im ganzen Land zu bauen«, sagt Lars Håkansson. »Er hat Geld gerochen, und es braucht etwas Zeit, bis er einsieht, daß die Sache nicht so läuft, wie er sich das vorgestellt hat.«
Lars Håkansson stellt eine Flasche Whisky und zwei Gläser auf den Tisch.
»Ich bin nach Lusaka gefahren, um Marjorie und Peggy zu besuchen«, sagt Hans Olofson. »Ich hätte dich vielleicht vorher anrufen sollen.«
»Den beiden geht es gut«, meint Lars Håkansson. »Clevere Mädchen.«
»Ja«,
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