Das Auge des Leoparden
Hans Olofson.
»In Kabwe,
bwana
.«
»Wann kommt er zurück?«
»Vielleicht morgen,
bwana
.«
»Ich bleibe heute nacht hier. Schließ die Tür auf.«
Der Nachtwächter verschwindet in der Dunkelheit, um die Schlüssel zu holen. Er hat sie bestimmt vergraben, denkt Hans Olofson.
Plötzlich versetzt er einem der Schäferhunde, die an seinen Beinen schnuppern, einen Hieb. Wimmernd weicht das Tier zurück. In diesem Land gibt es unzählige Hunde, die darauf abgerichtet sind, Menschen schwarzer Hautfarbe anzugreifen, denkt er. Wie richtet man eigentlich einen Hund zu rassistischem Verhalten ab?
Der Nachtwächter schließt ihm auf. Hans Olofson nimmt die Schlüssel an sich und schließt von innen ab. Erst die Gittertür mit zwei Hängeschlössern und einem Querbalken mit einem weiteren Schloß, dann die Haustür mit zwei Schlössern und drei Riegeln.
Acht Schlösser, denkt er. Acht Schlösser zur Sicherung meiner Nachtruhe … Was bedrückt sie wohl? Heimweh, das sie nicht zugeben wollen?
Oder etwas anderes?
Er macht Licht in Lars Håkanssons großem Haus und geht durch die geschmackvoll möblierten Zimmer. Überall stehen glänzende Stereoanlagen, und er läßt Musik aus verborgenen Lautsprechern erklingen.
Schließlich entscheidet er sich für ein Gästezimmer, in dem das Bett mit reinen Laken bezogen ist. Hier bin ich sicherer als auf meiner eigenen Farm, denkt er. Glaube ich zumindest, denn es weiß niemand, wo ich bin.
Er nimmt ein Bad in einem strahlend sauberen Badezimmer, schaltet die Musik aus und geht ins Bett.
Im Moment des Einschlafens zuckt er zusammen und ist plötzlich wieder hellwach. Er denkt an Marjorie und Peggy und an sein Gefühl, daß etwas nicht stimmt. Er versucht sich einzureden, daß Afrika ihn so überempfindlich gemacht hat, daß er nach all den Jahren in den Gesichtern aller Menschen Angst zu erkennen glaubt.
Dann steht er wieder auf, streift durch das Haus, öffnet Türen, studiert Buchrücken und die Planskizze eines Senders, die in Lars Håkanssons Arbeitszimmer an der Wand hängt. Hier ist alles in perfekter Ordnung, denkt Hans Olofson.
Lars Håkansson hat sich ohne ein einziges Staubkorn in Afrika eingerichtet, alles ist an seinem Platz. Er zieht Schubladen heraus und erblickt Unterwäsche in pedantisch geschichteten Stapeln. In einem Zimmer ist ein Fotoatelier eingerichtet worden, hinter einer anderen Tür stehen ein Heimtrainer und eine Tischtennisplatte.
Er kehrt in das geräumige Wohnzimmer zurück und denkt, daß er auf nichts gestoßen ist, woraus er sich ein Bild von Lars Håkanssons Vergangenheit machen könnte. Nirgendwo hängen Bilder von Kindern oder der geschiedenen Frau. Lars Håkansson macht es sich offensichtlich zunutze, daß Afrika so weit von Schweden entfernt ist. Fort ist fort, hier braucht ihn nichts an die Heimat erinnern, solange er es nicht will.
Er zieht eine Schreibtischschublade heraus, in der stapelweise Fotografien liegen. Erst als er eine Lampe darauf richtet, erkennt er, daß es sich um pornografische Aufnahmen mit schwarzen Darstellern handelt. Bilder von Geschlechtsakten, posierende Gestalten. Die Abgebildeten sind alle noch sehr jung, auch Peggy und Marjorie sind darunter. Wehrlos ausgeliefert.
Zwischen den Bildern liegt ein Brief in deutscher Sprache, den Hans Olofson einigermaßen entziffern kann. Er ist von einem Mann aus Frankfurt, der sich für die gelieferten Fotos bedankt, weitere bestellt und mitteilt, daß wie vereinbart dreitausend deutsche Mark an eine Bank in Liechtenstein überwiesen wurden.
Hans Olofson bekommt Angst vor seiner eigenen Wut. Jetzt bin ich zu allem imstande, denkt er. Dieses Schwein, dem ich wie keinem anderen vertraut habe, hat meine schwarzen Töchter zu so etwas verführt oder mit Drohungen dazu genötigt. Er hat es nicht verdient zu leben. Vielleicht zwingt er sich ihnen sogar auf? Sind sie etwa schon schwanger?
Er sortiert die Bilder, auf denen Peggy und Marjorie abgelichtet sind, aus dem Stapel heraus und steckt sie ein, schiebt die Schublade wieder zu und entscheidet sich. Durch ein Fenster, das auch nachts offensteht, spricht er mit dem Nachtwächter und erfährt, daß Lars Håkansson in einem
Department Guest-House
übernachtet, neben den großen Kasernen an der südlichen Einfahrt nach Kabwe.
Hans Olofson zieht sich an und verläßt das Haus. Erstaunt beobachtet der Nachwächter, daß er sich in sein Auto setzt.
»Es ist gefährlich, nachts so weit zu fahren,
bwana
«, sagt er.
»Was soll daran
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