Das Auge des Leoparden
schlägt.
»Zauberei?« hakt Hans Olofson nach.
»Ein Afrikaner, der es zu etwas bringt, läuft immer Gefahr, das Opfer eines Zaubers zu werden«, antwortet Werner Masterton. »Die Zauberkünste, die hier praktiziert werden, sind bisweilen äußerst wirkungsvoll.Wenn es etwas gibt, was Afrikaner wirklich können, dann tödliche Gifte zu mischen. Salben, mit denen ein Körper eingerieben wird, Kräuter, die als ganz normale Gewürze getarnt werden. Ein Afrikaner verwendet mehr Zeit darauf, seinen Neid zu pflegen als sein Land.«
»Es gibt so vieles, was ich nicht weiß«, sagt Hans Olofson.
»In Afrika vermehrt man sein Wissen nicht«, erwidert Werner Masterton. »Es nimmt ab, je mehr man zu verstehen glaubt.«
Werner Masterton verstummt und bremst wutentbrannt.
Ein Stück Zaun ist umgefallen, und als ein Afrikaner herbeiläuft, sieht Hans Olofson verblüfft, daß Werner Masterton ihn am Ohr zieht. Der Afrikaner ist vielleicht fünfzig Jahre alt, aber sein Ohr klemmt in Mastertons wuchtiger Hand.
»Warum ist das nicht repariert worden?« brüllt er. »Wie lange ist der Zaun schon kaputt? Wer hat ihn kaputtgemacht? War es Nkuba? Ist er wieder betrunken? Wer trägt hier eigentlich die Verantwortung? In einer Stunde ist das repariert. In einer Stunde soll Nkuba hier sein.«
Werner Masterton schleudert den Mann zur Seite und kehrt zum Jeep zurück. »Zwei Wochen kann ich fort sein«, sagt er. »Mehr als zwei Wochen, und die ganze Farm bricht zusammen, nicht nur ein Zaun.«
Sie halten an einem kleinen Hügel mitten in einer weitläufigen Weide, über die Kühe mit kleinen Höckern in Grüppchen ziehen. Auf der Hügelkuppe liegt ein Grab.
John McGregor, killed by bandits 1967
, liest Hans Olofson auf einem liegenden Grabstein.
Werner Masterton geht in die Hocke und zieht an seiner Pfeife.
»Wenn man sich auf einer Farm niederläßt, sucht man sich als erstes eine Stelle, an der man begraben werden möchte«, meint er. »Wenn man mich nicht vorher außer Landes jagt, werde ich eines Tages auch hier liegen, genau wie Ruth. John McGregor war ein junger Ire, der für mich gearbeitet hat. Er wurde vierundzwanzig Jahre alt. In der Nähe von Kitwe hatten sie eine falsche Straßensperre errichtet. Als er begriff, daß er nicht von der Polizei, sondern von Banditen gestoppt worden war, versuchte er zu fliehen. Sie erschossen ihn mit einem Maschinengewehr. Wäre er stehengeblieben, hätten sie bloß das Auto und seine Kleider genommen. Anscheinend hatte er vergessen, daß man in Afrika sein Auto nicht verteidigt.«
»Banditen?« fragt Hans Olofson.
Werner Masterton zuckt mit den Schultern. »Die Polizei kam vorbei und behauptete, sie hätten einige Verdächtige bei einem Fluchtversuch erschossen. Woher soll man schon wissen, ob es wirklich die Täter waren? Für die Polizei kam es nur darauf an, irgendwelche Schuldigen vorweisen zu können.«
Eine Eidechse liegt regungslos auf dem Grabstein. In der Ferne entdeckt Hans Olofson eine schwarze Frau, die unglaublich langsam einen Feldweg hinabgeht. Es sieht aus, als würde sie direkt in die Sonne laufen.
»Der Tod ist in Afrika immer gegenwärtig«, sagt Werner Masterton. »Ich weiß nicht, woran es liegt. An der Hitze, an allem, was hier verwest, an den Afrikanern, bei denen die Wut gleich unter der dünnen Haut verborgen liegt. Es braucht hierzulande nicht viel, um eine Menschenmenge aufzuwiegeln, und dann erschlagen sie jeden, der ihnen in die Quere kommt, mit einer Keule oder einem Stein.«
»Dennoch leben Sie beide hier«, sagt Hans Olofson.
»Vielleicht gehen wir nach Rhodesien«, antwortet Werner Masterton. »Aber ich bin schon vierundsechzig. Ich bin müde, habe Probleme beim Pinkeln und schlafe schlecht. Vielleicht hauen wir trotzdem ab.«
»Wer würde die Farm kaufen?«
»Vielleicht sollte ich sie in Brand stecken.«
Sie kehren zu dem weißen Haus zurück. Wie aus dem Nichts taucht ein Papagei auf und setzt sich auf Hans Olofsons Schulter.
Anstatt Bescheid zu sagen, daß seine Weiterreise nach Mutshatsha sich erübrigt hat, betrachtet er den Papagei, der nach der Naht seines Hemds hackt.
Manchmal ist Feigheit meine auffallendste Charaktereigenschaft, denkt er resigniert. Ich traue mich nicht einmal, Menschen die Wahrheit zu sagen, die mich überhaupt nicht kennen.
Die tropische Nacht senkt sich wie ein schwarzes Tuch herab. Die Dämmerung ist nicht mehr als ein flüchtiger, eilig entschwindender Schatten. Er hat das Gefühl, daß die Dunkelheit ihn in die
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