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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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auf denen weiche Teppiche liegen.
    Auf einmal steht ein älterer Mann vor ihnen. Hans Olofson bemerkt, daß der Mann barfuß ist.
    »Louis wird sich um Sie kümmern, solange Sie bei uns sind«, erklärt Ruth Masterton. »Bei Ihrer Abreise können Sie ihm ein Trinkgeld geben, aber geben Sie nicht zuviel. Verderben Sie ihn nicht.«
    Hans Olofson irritieren die abgerissenen Kleider des Mannes. An beiden Knien klaffen Löcher in der Hose, so als hätte er sein ganzes Leben auf Knien rutschend verbracht. Das verwaschene Hemd ist ausgefranst und geflickt.
    Hans Olofson schaut aus dem Fenster, vor dem sich ein großer Park erstreckt: weiße Korbsessel, eine Hängematte in einem riesigen Baum. Von draußen schallt ihm auf einmal Ruth Mastertons erregte Stimme entgegen, eine Tür wird zugeschlagen. Im Badezimmer läuft Wasser.
    »Das Bad ist fertig,
bwana
«, sagt Louis hinter ihm. »Handtücher liegen auf dem Bett.«
    Hans Olofson ist plötzlich aufgeregt.
    Ich muß etwas sagen, denkt er, damit er versteht, daß ich keiner von ihnen bin, sondern nur ein zufälliger Besucher, der es nicht gewohnt ist, einen Diener zugeteilt zu bekommen.
    »Bist du schon lange hier?« fragt er.
    »Seit meiner Geburt,
bwana
«, antwortet Louis.
    Daraufhin verschwindet er aus dem Zimmer, und Hans Olofson bereut seine Frage. Die Frage eines Herrn an seinen Diener, denkt er. Obwohl ich es gut meine, verhalte ich mich falsch und niederträchtig.
    Er läßt sich in die Badewanne sinken und überlegt, welche Fluchtwege ihm noch offenstehen.
    Er fühlt sich wie ein Falschspieler, der es leid ist, nicht erwischt zu werden.
    Man hilft mir, einen sinnlosen Auftrag auszuführen, denkt er. Sie sind bereit, mich nach Kalulushi zu chauffieren, um anschließend eine Transportmöglichkeit zur Missionsstation in der Wildnis für mich zu finden. Sie setzen sich für etwas ein, was nur ein egozentrischer Impuls ist, eine Urlaubsreise mit einem künstlichen Traum als Motiv.
    Der Traum von Mutshatsha starb mit Janine. Ich fleddere ihre Leiche mit diesem Ausflug in eine Welt, in der ich wirklich nicht zu Hause bin. Wie kann man nur eifersüchtig auf eine Tote sein? Auf ihren Willen, ihren Traum, an dem sie festhielt, obwohl sie wußte, daß sie ihn niemals verwirklichen könnte?
    Wie soll ein gottloser, ungläubiger Mensch plötzlich den Traum verwirklichen können, Missionar zu werden, um aus religiösen Beweggründen erniedrigten und armen Menschen zu helfen?
    In der Badewanne beschließt er, umzukehren. Er wird die Mastertons bitten, ihn nach Kitwe zurückzufahren, und irgendeine glaubwürdige Erklärung dafür abgeben, daß er seine Pläne kurzfristig geändert hat.
    Er zieht sich an und geht in den großen Park hinaus. Im Schatten unter einem hohen Baum steht eine Bank, die aus einem einzigen Steinblock gehauen wurde. Kaum hat er sich hingesetzt, als auch schon ein Diener mit einer Tasse Tee herbeieilt.
    Werner Masterton steht plötzlich in einem abgewetzten Overall vor ihm. »Wollen Sie sich unsere Farm ansehen?« fragt er.
    Sie setzen sich in den Jeep, der inzwischen gewaschen worden ist. Werner Masterton legt seine großen Hände auf das Lenkrad, nachdem er sich einen alten Sonnenhut auf den Kopf gedrückt hat. Sie fahren an langen Reihen von Hühnerställen und Viehweiden vorbei. Ab und zu bremst Werner Masterton, woraufhin sofort schwarze Arbeiter herbeilaufen. Er gibt knappe Anweisungen in einer Mischung aus Englisch und einer anderen Sprache, die Hans Olofson nicht versteht.
    Hans Olofson hat das Gefühl, daß Werner Masterton auf dünnem Eis balanciert und jeden Moment einen Wutanfall bekommen kann.
    »Die Farm ist ganz schön groß«, sagt er, als sie weiterfahren.
    »Es geht so«, antwortet Werner Masterton. »Wenn die Zeiten anders wären, würde ich sicher versuchen, sie zu vergrößern, aber heutzutage weiß man nicht recht, was man tun soll. Wer weiß, vielleicht konfiszieren sie die Farmen der Weißen aus Neid und Unzufriedenheit, weil wir den schwarzen Farmern, die nach der Unabhängigkeit angefangen haben, so haushoch überlegen sind. Sie hassen uns wegen unserer Fähigkeiten, wegen unseres Organisationstalents, und weil wir dafür sorgen, daß alles läuft. Sie hassen uns, weil wir viel Geld verdienen, gesünder sind und länger leben. Den Afrikanern wird der Neid in die Wiege gelegt. Aber am meisten hassen sie uns, weil sie uns mit ihrer Zauberei nichts anhaben können.«
    Sie fahren an einem Pfau vorbei, der mit seinen bunten Federn ein Rad

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