Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
Morgengrauen zu erkennen, ganz in der Nähe von Hütten und Menschen. Dennoch hat niemand etwas gesehen.«
    »Ist noch Platz für eine weitere Person?« erkundigt sich Hans Olofson. »Ich bin ein Meister darin, mich unsichtbar zu machen.«
    »Die Häuptlinge tragen oft Leopardenfelle als Zeichen ihrer Würde und Unverletzbarkeit«, sagt Werner Masterton. »Das magische Wesen des Leoparden ist allen Stämmen gemeinsam. Ein
kaunde
, ein
bemba
, ein
luvale
, sie alle respektieren die Weisheit des Leoparden.«
    »Ist noch Platz?« fragt Hans Olofson, ohne Antwort zu bekommen.
    Um kurz nach neun brechen sie auf.
    »Wen nimmst du mit?« fragt Ruth Masterton.
    »Den alten Musukutwane«, antwortet ihr Mann. »Er ist der einzige auf unserer Farm, der im Laufe seines Lebens mehr als einen Leoparden gesehen hat.«
    Sie lassen den Jeep ein ganzes Stück vor der Leopardenfalle stehen. Musukutwane, ein alter Afrikaner in abgerissenen Kleidern, gebeugt und hager, tritt lautlos aus den Schatten. Schweigend führt er sie durch die Dunkelheit.
    »Sucht euch eine bequeme Körperstellung«, flüstert Werner Masterton, als sie in der Laubhütte angekommen sind. »Wir werden mindestens acht Stunden hierbleiben.«
    Hans Olofson sitzt in einer Ecke, und nur ihre Atemzüge und die nächtlichen Geräusche sind zu hören.
    »Keine Zigaretten«, flüstert Werner Masterton. »Redet leise, den Mund ans Ohr gelegt. Aber auf Musukutwanes Zeichen hin müssen alle still sein.«
    »Wo ist der Leopard jetzt?« fragt Hans Olofson.
    »Nur der Leopard weiß, wo der Leopard ist«, antwortet Musukutwane.
    Schweiß rinnt Hans Olofson das Gesicht hinab. Plötzlich spürt er, daß jemand seinen Arm berührt.
    »Warum macht man das eigentlich«, flüstert Judith Fillington. »Warum wartet man eine ganze Nacht auf einen Leoparden, der vermutlich doch nicht kommen wird.«
    »Vielleicht habe ich bis zum Morgengrauen eine Antwort gefunden«, erwidert Hans Olofson.
    »Wecken Sie mich bitte, falls ich einschlafen sollte«, sagt sie.
    »Was muß ein Verwalter auf Ihrer Farm tun?« fragt er.
    »Alles«, antwortet sie. »Fünfzehntausend Eier müssen jeden Tag eingesammelt, verpackt und ausgeliefert werden, auch sonntags. Es muß immer ausreichend Futter da sein, zweihundert Afrikanern müssen die Ohren langgezogen werden. Man verbringt täglich viel Zeit damit, eine ganze Reihe von Krisen einzudämmen, ehe sie sich zu Katastrophen auswachsen.«
    »Warum wollen Sie keinen schwarzen Verwalter einstellen?« fragt er.
    »Wenn das so einfach wäre«, antwortet sie. »Aber so einfach ist es leider nicht.«
    »Ohne Musukutwane würden wir den Leoparden nicht finden«, sagt er. »Es ist doch unfaßbar, daß ein Afrikaner in diesem Land nicht zum Verwalter befördert werden kann. Es gibt einen schwarzen Präsidenten, eine schwarze Regierung.«
    »Arbeiten Sie doch für mich«, sagt sie. »In Schweden sind alle Männer Bauern, nicht wahr?«
    »Das stimmt so nicht ganz«, antwortet er. »Früher traf das vielleicht zu, aber heute nicht mehr. Außerdem verstehe ich nichts von Hühnern. Ich weiß nicht einmal, was fünfzehntausend Hühner fressen. Tonnenweise Brotkrumen?«
    »Abfälle aus den Maismühlen«, erwidert sie.
    »Ich glaube nicht, daß es mir liegen würde, einem Arbeiter die Ohren langzuziehen«, sagt er.
    »Ich brauche jemand, der mir hilft.«
    »In drei Tagen geht mein Flug. Ich kann mir nicht vorstellen, wiederzukommen.«
    Hans Olofson wedelt eine Mücke weg, die vor seinem Gesicht schwirrt. Ich könnte das tun, schießt es ihm durch den Kopf. Ich könnte es zumindest versuchen, bis sie geeigneten Ersatz gefunden hat. Die Mastertons haben mich in ihrem Haus aufgenommen und mir damit eine Atempause verschafft. Dasselbe könnte ich vielleicht für sie tun.
    Er denkt, daß die Vorstellung ihm so verlockend erscheint, weil er aus seiner Leere herausfinden könnte. Aber natürlich mißtraut er dieser Verlockung, weil sie sich auch nur als ein weiteres Versteck herausstellen könnte.
    »Benötigt man nicht eine ganze Reihe von Papieren«, erkundigt er sich. »Aufenthaltsgenehmigung, Arbeitserlaubnis?«
    »Man braucht unglaublich viele Papiere«, sagt sie. »Aber ich kenne einen Oberst im Immigration Department in Lusaka. Eine Lieferung von fünfhundert Eiern frei Haus verschafft einem die notwendigen Stempel.«
    »Aber ich verstehe überhaupt nichts von Hühnern«, wiederholt er.
    »Sie wissen immerhin schon, was sie fressen«, antwortet sie.
    Laubhütte und Arbeitsamt in

Weitere Kostenlose Bücher