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Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Titel: Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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katholisch und sie sich nicht einigen konnten, auf welche Weise sie sich trauen lassen wollten. Paul Meyrink hatte die Kinder adoptiert und sie hatten seinen Namen bekommen, aber verheiratet mit Angelina war er nicht gewesen. Deshalb war ich die einzige Erbin statt ihrer italienischen Sippschaft. Ein hübsches Paar, vor allem sie war einfach traumhaft schön mit dem langen schwarzen Haar und den ausdrucksvollen Augen und den sinnlichen Lippen. Kein Wunder, dass Paul sich sofort in sie verliebt hatte. Natürlich hatte ich schon früher Fotos von ihnen gesehen, aber das war Jahre her. Wir hatten keinen Gedenkschrein von ihnen zu Hause, und sowieso vermieden wir es, von ihnen zu sprechen.
    „Ich weiß, was du denkst“, sagte Tatjana.
    „Und, was denke ich?“
    „Es sind die gleichen Augen“, sagte sie. „Luca hat die gleichen Augen wie Angelina. Ich hab alles ausgedruckt, was ich finden konnte. Hier ist Paul, zusammen mit deinem Onkel bei einem Empfang. Modelauftritte von Angelina, ihre Karriere war gerade erst am Anfang, dann ist sie schwanger geworden. Hier, das Foto mit den Jungs. Das erschien damals in den Zeitungen, als man die Kinder gesucht hat. Auf dem hier sind sie noch besser getroffen. Was meinst du, könnte er es sein?“ Dann versuchte sie zu lachen und sagte: „Das ist verrückt, weißt du? Es gibt überhaupt keinen Grund, warum unser Freund Luca eins von den verschwundenen Kindern sein sollte. Und so groß ist die Ähnlichkeit nun auch wieder nicht. Sonst hätte dein Onkel Vincent es bemerkt, oder?“
    Sie waren so klein und süß, und es brach mir das Herz, zu wissen, dass ihnen etwas Schreckliches passiert war. Zwei Jungen, fast noch Babys, mit großen schwarzen Augen, die einander glichen wie ein Ei dem anderen.
    „Ricardo und Enrico Meyrink“, sagte ich leise. „Ich … ich muss mal eben allein sein.“
    Es war noch nicht spät genug; Rico erschien immer in der Dämmerung. Aber ich konnte nicht mehr warten.
    Mit dem ganzen Packen Fotos rannte ich in den Garten hinaus. Mein Herz hämmerte wie wild. Jetzt kannte ich das Schicksal dieser Kinder, doch ich wünschte mir, ich hätte es nicht gewusst. Und vor allem, ich hätte nichts damit zu tun.
    „Rico?“ Ich versuchte mich zu erinnern, wo die Kameras waren, aus welchen Winkeln sie mich aufgenommen hatten. Wenn möglich wollte ich nicht wie eine Irre wirken, die hysterisch durch den Schlossgarten tanzte. Ich presste die Bilder an meine Brust, als könnte ich sie so umarmen, die ganze Familie. Angelina tat mir schrecklich leid. Bestimmt hatte sie ihre kleinen Söhne abgöttisch geliebt. Als sie ihnen die Anzüge ausgesucht hatte, war sie froh und stolz gewesen, und keine böse Ahnung hatte ihr das Herz schwergemacht.
    Ich setzte mich auf den Baumstamm am Teich und sah mir die Fotos immer wieder an. Es war so lange her … und doch war mir, als wären sie eben erst gestorben. Alle drei. Paul und Angelina und Rico.
    „Warum weinst du?“
    Diesmal bekam ich mit, wie er über den Teich ging. Er sprang von einem Seerosenblatt zum nächsten, schwerelos wie ein Schmetterling. Unbekümmert wie ein kleiner Junge.
    „Welcher von ihnen bist du?“, fragte ich. „Wie ist dein richtiger Name?“
    „Aber das weißt du doch. Rico.“ Erschrocken wich er zurück, als er sah, was ich in den Händen hielt.
    „Enrico Meyrink. Oder bist du Ricardo?“
    Er wollte fliehen, aber es gab Dinge, die selbst einen Geist bezwingen konnten. Rico vermochte nicht zu widerstehen, er musste sich die Bilder ansehen.
    „Das bin ich nicht, nein.“ Er klang verzweifelt. „Nein, das … das kann nicht sein. Ich bin erwachsen.“
    „Seit wann …“ Ich brachte es nicht über mich, ihn zu fragen, wie lange er schon tot war. „Seit wann bist du hier im Garten?“
    „Schon immer.“ Er konnte kaum sprechen.
    „Das muss bedeuten, dass du klein warst. So alt wie … wie … wie die hier. Aber immerhin weißt du noch, dass du einen Bruder hattest.“ Nein, er hatte mich nie belogen.
    „Wir waren zu zweit.“ Seine Augen hingen an den Bildern. „Aber … nein, Alicia, nein, ich kann das nicht glauben.“
    Ich zeigte ihm das nächste Foto.
    Die Jungen hatten das Gleiche an. Sie waren gekleidet wie kleine Gentlemen, in winzige schicke Zweiteiler - Jacketts mit goldenen Knöpfen und Hosen mit Bügelfalten. Niedliche weiße Hemden und Krawatten.
    Rico blickte an sich selbst herunter. Er trug immer noch dasselbe wie auf dem Foto. In dieser Kleidung war er verschwunden. Deshalb war

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