Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)
dass ich es komisch finde? Wir haben einen Hund. Jetzt verstehe ich endlich, warum dein Onkel Hunde verabscheut. Er hat Angst, dass genau das passiert! Dass wir Winky als Spürhund einsetzen und sie uns zu der Leiche führt!“
Ich betrachtete das seltsame Wesen auf ihren Knien.
„Das ist kein Spürhund“, sagte ich. „Das ist überhaupt kein richtiger Hund.“
„Oh doch. Sie hat eine fabelhafte Nase, wenn sie will. Und sie liebt Dreck. Warum sollte sie keine Leiche finden können? Wetten, er hat sein Opfer vergraben, irgendwo auf dem Grundstück? Kein Mensch hätte es gesehen. Die Kinder sind damals am helllichten Tag verschwunden. Vincent hätte es tun können, Liss, das weißt du so gut wie ich. Er wurde damals sogar verdächtigt, aber sie konnten ihm nichts nachweisen. Dein Geist kann uns helfen und Winky an die richtige Stelle führen.“
„Jetzt willst du doch mit Rico zusammenarbeiten? Ich dachte, du traust ihm nicht und ich soll mich in Sicherheit bringen?“
„Aber nur so werden wir ihn los. Wir schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe, indem wir den Fall lösen. Die Wahrheit kommt ans Licht, und sobald die Polizei den Richtigen verhaftet hat, verschwindet Rico bestimmt. Er tritt ins Jenseits ein, und du kannst dich endlich mit lebendigen Jungs befassen. “
„Mein Onkel ist aber nicht der Richtige“, protestierte ich. „Merkst du überhaupt noch was? Das ist kein Spiel, Tatjana!“
Ich zuckte zusammen, als es plötzlich an die Tür klopfte. „Euer Besuch!“, rief Sabine.
„Wir bekommen Besuch?“, fragte ich überrascht. „Wen denn?“
„Immer nur herein!“, rief Tatjana. „Hey, super, dass du da bist.“
Luca trug den Arm immer noch in der Schlinge. Er wirkte ziemlich verlegen, als Sabine ihn in den Raum schob, murmelte „ciao“ in meine Richtung, wobei sich seine Stirn etwas verfärbte, und grinste dann Tatjana an. „Nette Bude.“
Winky sprang begeistert an ihm hoch. „Was für eine süße Ratte“, meinte Luca freundlich.
„Wenn ihr zwischendurch was essen oder trinken wollt - Romina hat unten ein paar Snacks bereitgestellt“, erklärte Sabine noch, bevor sie uns unserem Schicksal überließ.
Tatjana warf mir einen triumphierenden Blick zu.
Was soll das?, fragte ich lautlos.
Sie zuckte nur die Achseln, bevor sie Luca einlud, auf der Bettkante Platz zu nehmen, und sich ganz zwanglos mit ihm zu unterhalten begann.
„Ich … hol mal was zu knabbern“, sagte ich und ergriff die Gelegenheit zur Flucht. Im Flur lehnte ich mich gegen die Wand und atmete erst einmal tief durch. Was fiel Tatjana ein, Luca einzuladen! Und noch dazu, ohne mir vorher Bescheid zu sagen. Die beiden schienen sich überaus gut zu verstehen, mich brauchten sie dabei gar nicht. Ob Luca wohl ahnte, dass es der blonden Schönheit, die sich da an ihn heranschmiss, nur darum ging herauszufinden, wer er war? Oder täuschte ich mich und sie hatte es tatsächlich auf ihn abgesehen?
Wütend stapfte ich die Treppe hinunter.
In der Küche stieß ich auf Sabine, die sich gerade ein Sandwich mit Erdnussbutter schmierte. „Ein netter Junge“, meinte sie. „Man sieht ihm gar nicht an, dass er so mutig ist.“
Mich daran zu erinnern, dass er mein Lebensretter war, hob nicht gerade meine Laune.
„Magst du ihn?“
Das interessierte sie doch nicht wirklich? Dann kam mir in den Sinn, dass sie sich vielleicht im Auftrag meines Onkels danach erkundigte. Schließlich war er für mich verantwortlich, solange ich hier wohnte, und es passte zu ihm, mich zu überwachen. Wenn er sich Sorgen wegen meiner Jungsbekanntschaften machte, dann sollte er mich gefälligst selbst fragen! Doch nicht einmal Onkel Vincent hätte ich erzählen können, dass es mich ganz wahnsinnig machte, Luca hier im Haus zu haben. Ich konnte es nicht ertragen, dass er aussah wie Rico. Und ja, ich war sauer auf ihn, weil er lebte und atmete und weil man ihn küssen konnte und weil er mich vom Dach gerettet hatte, während Rico bloß ein Geist war!
„Nun?“, fragte Sabine. „Du wirst doch wohl sagen können, ob er dir gefällt oder nicht. Ein so hübscher Junge.“
Ich mochte sie lieber, wenn sie erst gar nicht versuchte, die große Freundin herauszukehren. Ganz bestimmt würde ich ihr nicht mein Herz ausschütten. Natürlich mochte ich Luca - aber nicht auf dieselbe Weise, wie ich Rico mochte.
„Tatjana steht auf ihn“, sagte ich düster.
Das schien zu meinem großen Verdruss sogar zu stimmen.
Als ich die Tür mit dem Fuß öffnete und
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