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Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Titel: Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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die Flammen, Hitze wehte mich an.
    „Alicia, rette dich“, rief Rico. „Tu’s für mich. Bitte!“
    „Ja“, sagte ich. „Einen Moment noch.“
    Ich presste den Ärmel vor meine Nase, dann schnappte ich mir einen der übriggebliebenen Kittel, hob das kleine Skelett hinein und wickelte das Bündel zusammen. Mit tränenden Augen hechtete ich an der brennenden Tür vorbei, fand halbblind das Regal und kletterte daran empor. Ich hatte mittlerweile schon Übung darin, mich über brüchige Kanten zu schwingen.
    Hustend und würgend gelangte ich ins Erdgeschoss und stolperte staubaufwirbelnd durch das verlassene Kutscherhaus. Der Raum mit dem Herd war unversehrt, dort hielt der Boden meinem Gewicht stand. Keuchend riss ich die Tür auf und fiel auf die Knie. Draußen ging gerade erst die Sonne auf, und die frische, kühle Luft des neuen Morgens wehte mich an und überwältigte mich. Ich hustete, bis ich nicht mehr konnte. Meine Augen und mein Hals brannten, Schmerz loderte in meiner Brust. Ich hätte nicht sagen können, wie lange ich dalag, den Kittel an mich gepresst, als hätte ich darin ein lebendiges Kind ins Freie gerettet.
    Erst als hinter mir Flammen hochzüngelten, rappelte ich mich auf und stolperte vorwärts, fort von den Lagerhäusern. Heute kamen mir die Bäume vor wie schwarze Stäbe, die sich in den Himmel reckten, an einem Tag, der mit Feuer und Asche begann.

Schwarze Rosen

    „Warte hier“, sagte Rico. „Ich gehe voraus und prüfe, ob die Luft rein ist. Du solltest dich lieber verstecken. Wenn es erst richtig brennt, wird die Feuerwehr kommen und dann kannst du dich bemerkbar machen.“
    Er verschwand.
    Ich legte das Bündel zwischen den Wurzeln einer Eiche ab, lehnte mich an den Baumstamm und versuchte, mich zu beruhigen. Es ging mir nicht besonders gut, aber ich war am Leben. Brandgeruch und Ascheflocken trieben durch die Luft. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis jemand darauf aufmerksam wurde. Ob das Feuer Onkel Vincent anlocken würde? Zum Glück hatte er keine Hunde, die er auf mich ansetzen konnte.
    Wann kam Rico denn endlich wieder? Ich lugte um den Stamm herum und entdeckte ihn. Statt zu mir zurückzukommen, stand er auf der Wiese; er schien auf mich zu warten. Dass er mir winkte, nahm ich als Zeichen, aus meinem Versteck zu kommen. Ich stolperte auf ihn zu, doch erst als ich ihn fast erreicht hatte, fiel mir auf, dass er falsch angezogen war. Außerdem hatte er sich meine Tasche über die Schulter gehängt. So viel dazu, dass ich nur ein bisschen kurzsichtig war!
    „Luca! Wo kommst du denn her?“
    Er blickte mich gequält an. „Tut mir leid, Liss.“
    Sabine trat hinter ihm hervor. Immerhin waren meine Augen gut genug, um aus dieser Entfernung die Pistole in ihrer Hand zu erkennen.
    „Äh … Sabine?“, fragte ich, mehr verblüfft als erschrocken.
    „Alicia, meine Liebe.“ Ihre Stimme klang kalt und höhnisch. Jetzt wusste ich wieder, warum ich sie von Anfang an nicht leiden konnte. „Wie bist du denn da rausgekommen? Geht der Rauch auf deine Kappe?“
    „Wo ist Onkel Vincent?“, fragte ich. „Und was ist mit meinem Vater?“
    „Ach, so viele Fragen. Aber jetzt ist nicht die Zeit für so was.“ Sie machte eine unmissverständliche Bewegung mit der Waffe. „Na los. Und keine Dummheiten.“
    Luca griff nach meiner Hand, als ich vorwärtsstolperte. „Das Handy“, flüsterte ich.
    Nicht leise genug, denn Sabine lachte schrill. „Das habe ich. Mach dir keine Mühe, Alicia. Ein bisschen schneller, wenn ich bitten darf.“
    Sie trieb uns auf die verlassenen Gebäude zu.
    „Wieso bist du bloß hergekommen?“, fragte ich Luca. „Ich habe dir doch gesagt, hier ist dein Leben in Gefahr!“
    „Ich hab mir die Fotos angesehen.“ Als wäre das eine ausreichende Erklärung.
    „Das Tor war zu!“
    „Nein, das Haupttor stand weit offen.“
    „Du hättest zu Hause bleiben müssen!“
    „Ich hab noch mal mit meinen Eltern gesprochen. Und da wurde mir klar … es stimmt. Alles, was du mir gesagt hast. Und weißt du, was das Verrückte ist? Endlich ergibt es einen Sinn, was ich immer gefühlt habe. Dass ich unvollständig bin, dass da noch jemand sein müsste …“
    „Seid still!“, befahl Sabine scharf. Ich spürte den harten Druck der Mündung in meinem Rücken. „Weiter!“
    Das Kutscherhaus stand bereits in Flammen. Sabine zögerte kurz, dann scheuchte sie uns zu einem der Nebengebäude.
    „Wunderbar, dieses Feuer“, sagte sie. „Du nimmst mir eine Menge Arbeit ab, mein

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