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Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Titel: Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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jetzt. Am Tag fällt ein wenig durch den Luftschacht herein.“
    „Ich will Licht!“ Ich erschrak selbst darüber, wie laut meine Stimme in der Dunkelheit widerhallte.
    „Still.“ Ein kühler Hauch an meiner Wange. „Niemand kann dich hier hören. Wir sind unter dem Kutscherhaus.“
    „Wo ist die Tür? Bitte, führ mich zur Tür.“
    „Ich wünschte, ich könnte deine Hand nehmen, aber ich kann nicht.“
    „Halt mich fest“, bettelte ich.
    „Ich bin hier“, sagte er. „Du kannst es nicht fühlen, aber ich berühre gerade dein Haar. Nun deine Schulter. Hör mir zu, Alicia. Die Tür ist zwei Meter von dir entfernt, aber sie ist fest verriegelt. Auf dieser Seite gibt es nicht mal eine Klinke. Auf der anderen ist ein Kettenschloss, das durch einen Eisenring an der Tür führt und durch einen Metallbogen an der Wand. Ohne Schlüssel geht es nicht.“
    „Es muss einen anderen Weg geben! Es gibt einen! Wie ist dein Bruder denn damals hier rausgekommen?“
    „Durch den Schacht.“
    „Dann kann ich das auch!“
    „Er war ein kleines Kind. Der Durchgang ist sehr schmal und eng. Du passt nie im Leben da durch.“
    „Du hast mir ja richtig viel Ermutigendes zu sagen“, beschwerte ich mich. „Das hilft mir weiter, wirklich!“
    „Wir sind auf das Regal geklettert“, erzählte Rico leise. „Alte Gläser standen darauf, Kanister, ein paar alte Kartons. Ricardo ist bis ganz nach oben gekommen und den Schacht hoch. Die Motten haben ihm den Weg gezeigt. Aber ich habe es nicht geschafft. Ich bin abgestürzt. Wir hatten nichts mehr zu essen, ich war zu schwach.“
    Mir wurde kalt. „Du bist gestürzt? Und dann?“
    „Ich lag auf dem Boden. Es war kalt, und die Dunkelheit kam zurück. Mir tat alles weh. Aber die Falter waren da. Sie haben mich nicht im Stich gelassen. Sie waren die ganze Zeit bei mir, und ich habe mit ihnen gesprochen. Die Mutigsten setzten sich auf meine Hand, und ich war vorsichtig, um sie nicht zu verletzen.“
    Ich musste schlucken. Stand mir dasselbe Schicksal bevor? Würde ich hier im Dunkeln warten müssen, bis das Ende kam? Rufen und warten, nur in Gesellschaft der Motten und eines Geistes? Aber er war nicht irgendein Geist. Er war Rico. Die Finsternis und die Kopfschmerzen machten mich schwindlig, und ich sah bunte Schlieren vor meinen Augen tanzen.
    „Es muss einen Ausweg geben“, beharrte ich. „Du kennst diesen Raum. Gibt es hier irgendetwas, das ich benutzen kann, um die Tür aufzubrechen?“
    „Du willst eine stählerne Kette auseinanderreißen?“, fragte er zurück.
    Ich richtete mich vorsichtig auf und kämpfte gegen das Schwindelgefühl an. „Ist sonst jemand auf dem Anwesen, der vielleicht gar nichts mitbekommen hat und mir helfen könnte? Andi? Sabine? Romina?“
    Ich hatte Thomas nicht auf den Bildschirmen gesehen, und natürlich konnten sich noch mehr Personen auf dem Grundstück befinden, ohne dass ich davon wusste. Schließlich ließ Onkel Vincent nicht jeden einzelnen Raum überwachen. Vielleicht war noch jemand da, der nicht mit ihm unter einer Decke steckte. „Sehen die Falter jemanden?“
    Rico seufzte. „Alicia, so funktioniert es nicht. Die Falter lieben mich, aber sie sind nicht meine Diener, die ich hin und her schicken kann. Manchmal geschehen Dinge, weil ich sie mir gewünscht habe, aber manchmal muss ich mich mit ihrer Zuneigung und ihrer Gegenwart begnügen.“
    „Sie sind deine Augen und Ohren im Haus.“
    „Nein“, widersprach er. „Sie sind dort, und ich bin hier. Sie sind frei, und ich bin es nicht. Und wenn sie zu mir kommen, wandern wir gemeinsam durch die Nacht.“
    „Das ist zu wenig! Sie müssen doch etwas bewirken können. Dir muss etwas einfallen, um mich hier rauszubringen!“
    „Es gibt keinen Weg hinaus“, sagte er trostlos.
    „Nein!“, rief ich. „Das glaube ich nicht! Ihr wart Kinder, ihr wart völlig hilflos. Aber ich könnte doch etwas tun, was ihr nicht konntet. Nochmal zum Schacht. Wie groß ist er genau?“
    „Keine Chance“, sagte er. „Die Öffnung macht einen Knick und führt im steilen Winkel nach oben.“
    „Gibt es hier Werkzeuge, um die Tür aufzubrechen? Mich durch den Boden zu graben? Die Wände einzureißen?“
    Stille. Er überlegte, während ich mich mit ausgestreckten Armen durch die Finsternis tastete. Ich stieß gegen etwas, das vermutlich das Regal war, und griff gleich als Erstes in eine Glasscherbe.
    „In den Kanistern ist vermutlich Benzin?“, fragte ich, während ich mir das Blut vom Daumen saugte.

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