Das Auge des Sehers (German Edition)
nicht gerade zimperlich. Und nicht selten haut ihr mit euren Diagnosen voll daneben, wenn ich da nur an die vielen Kunstfehler denke.»
«Das nimmst du zurück, Ferrari!»
«Den Teufel werde ich. Was nicht in eure Akademikerschädel reingeht, ist Scharlatanerie. Ihr macht es euch verdammt einfach, ihr mit eurem Dünkel.»
Monika nahm einen Stuhl und setzte sich ihm gegenüber. Ihr Gesichtsausdruck verriet nichts Gutes. Ferrari rutschte ein wenig zur Seite, damit er den Bildschirm im Auge behalten konnte. Die Fortsetzung wollte er auf keinen Fall verpassen.
«Du behauptest also, dass dieser … dieser Gauner mehr drauf hat als jeder Arzt?»
«Das ist jetzt aber eine Unterstellung. Ich bin lediglich der Meinung, dass er über besondere Fähigkeiten verfügt.»
«Da bin ich deiner Meinung. Allerdings definiere ich ‹besondere Fähigkeiten› anders. Ich verstehe darunter eine perfekte Abzocke eines gefährlichen Spinners.»
«Auf diesem Niveau brauchen wir nicht weiter zu diskutieren, Monika. Du bist stur und uneinsichtig.»
«Stur?» Monikas Stimme nahm einen gefährlichen Unterton an. «Ich bin also stur. Dann wollen wir einmal den Verlauf der letzten Minuten logisch analysieren.»
«Bitte, dagegen ist nichts einzuwenden. Du wirst mir sicher logisch erklären können, weshalb Arian so viel über diese Yvonne weiss, obwohl sie vor zehn Minuten zum ersten Mal miteinander telefoniert haben?»
Unbemerkt hatte sich Nikki, Monikas Tochter, zu ihnen gesetzt und hörte der Unterhaltung interessiert zu.
«Dir haben anscheinend die vielen Chips das Gehirn vernebelt.»
«Aha … da sieht man es wieder! Kaum stelle ich eine Frage, die du nicht beantworten kannst, schon beleidigst du mich. Auch eine Methode, einer Diskussion aus dem Weg zu gehen, aber keine überzeugende.»
«ICH habe mich noch nie vor einer Diskussion gescheut. Im Gegensatz zu anderen … Gut, lass es mich so erklären, dass es auch der Dümmste versteht.»
Ferrari sah irritiert zu Nikki hinüber.
«Bist du schon lange da?»
«Nein, nein. Lasst euch nur nicht stören. Ich bin gespannt, wie das hier endet. Auf in die zweite Runde!»
«Deine Mutter mit ihrem logischen Verstand! Da hat nichts anderes Platz.»
«Gut, Ferrari! Du willst es nicht anders. Also, die ersten vier Minuten hat dieser Turbanheini …»
«Arian Nostramo …»
«… hat dieser Scharlatan die gute, liebe Yvonne ausgefragt. Falls dir das entgangen ist.»
«Ist es nicht!»
«Da ist ja wohl jedem einigermassen vernünftig denkenden Menschen klar geworden, dass dieser Rolf seine Freundin Yvonne nach Strich und Faden betrügt. Oder sieht der Herr Kommissär das anders?»
«Doch … na ja, schon. Scheint ein Casanova zu sein.»
«Und was hätte der Herr Kommissär, der lieben, guten, kleinen dummen Gans geraten, wenn sie eine Freundin von ihm wäre?»
«Ich weiss nicht … Aber die Frau Apothekerin wird es mir sicher gleich sagen.»
«Ich hätte ihr geraten, ihrem Freund Rolf einen kräftigen Tritt in den Hintern zu verpassen, bevor sie ihn hochkant rauswirft. Und genau das hat Superman Arian auch getan, wenngleich auf die liebenswürdige Tour. Und, damit er nicht Schuld daran ist, wenn Yvonne über ihren Rolf nicht hinwegkommt, hat er in die Karten geschaut. Und … oh welch Wunder! … die Karten verraten ihm, dass es noch eine kleine Chance gibt. Vielleicht, also unter gewissen glücklichen Umständen raufen sich der bumsfidele Rolf und das naive Dummchen Yvonne wieder zusammen. Du musst zugeben, das war einfach ein genialer Rat, der, ohne zu hellsehen, nie und nimmer möglich gewesen wäre.»
«Hm!»
«Ist das alles? Jetzt bist du dran, Francesco. Ich bin gespannt auf deine Version.»
«Ja, also so ist es nun auch wieder nicht.»
«Wie dann?»
«Ich meine … also, wenn ich …»
Monika erhob sich mit einem triumphierenden Lächeln.
«Hier habe ich eine engstirnige, sture und absolut unflexible Partnerin und im Büro gleich noch eine von dieser Sorte als Assistentin. Das Schicksal meint es echt hart mit mir», brummte Ferrari vor sich hin.
Nikki rollte mit den Augen und zog instinktiv den Kopf ein. Ein Gewitter war im Anzug.
«Was hast du gesagt?»
«Ich … ich … nichts, ich …»
«Gib dir keine Mühe, ich habe es genau gehört. Du vergleichst Nadine und mich. Das wäre an sich ja schmeichelhaft. Nur hast du keine netten Adjektive gewählt – engstirnig, stur, unflexibel. Die Palette liesse sich beliebig erweitern. Wie wäre es mit rechthaberisch,
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