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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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sämtliche Fenster gerade eine sündhaft teure Mehrfachisolierung bekommen. In den Büros herrschten exakt einundzwanzig Komma sieben Grad, Tag und Nacht, sommers wie winters, schon im Interesse der kostbaren Handschriften, die oft monatelang hier zu Gast waren. Nein, die Kälte, die Amadeo spürte und die ihn zwang, die Finger zu öffnen und zu schließen, diese Kälte kam von innen.
    Es war unglaublich!
    Einer seiner allerersten Gedanken war richtig gewesen: die Caesar-Verschlüsselung. Einsteins Code war nichts als die allerpopeligste Caesar-Verschlüsselung, nur dass nicht jeder vierte oder fünfte, sondern nur jeder neununddreißigste Buchstabe gelesen werden musste, damit der Sinn der geheimen Botschaft deutlich wurde.
    Er war auf der richtigen Spur gewesen, hatte dann aber in die vollständig falsche Richtung gedacht. Nur weil er selbst besessen war von zweitausend Jahren abendländischem Bildungsballast, hatte er derartige Scheuklappen aufgehabt, dass er auf den einfachsten Gedanken nicht gekommen war: Der Schlüssel zu Albert Einsteins Code lag in Albert Einsteins bedeutendster Entdeckung: der Relativitätstheorie.
    Masse mal Beschleunigung, M mal C, die Symbole der
physikalischen Abkürzung, zum Quadrat. Wenn man diese Buchstaben durch ihre jeweilige Position im Alphabet ersetzte, dreizehn und drei, hieß das Ergebnis neununddreißig, und diese neununddreißig im Quadrat war das Schema des Babylon-Textes. Einstein hatte eine Anweisung gegeben: So, genau so, soll dieser Text gelesen werden.
    Und genau so hatte Amadeo ihn jetzt mit Hilfe seiner Textverarbeitung ausgerichtet, wobei er das letzte, neununddreißigste, Zeichen einer jeden Zeile um eine Stelle abgerückt hatte. Untereinander gelesen ergaben sie das Ergebnis, den Einstein-Code.
    Vor Amadeo stand ein dampfender Espresso. Seit heute Morgen um neun hatte die Maschine keine Chance bekommen, auf Standby zu schalten.
    Ein paar Sekunden lang wärmte er seine abgestorbenen Finger an der Tasse, dann begann er zu notieren: e b Grad b a min b E sbin o r d (oder: b i nord ) ab Grad ei min c h sea ost.
    Einige Buchstabengruppen gehörten eindeutig zusammen, schon das war ein Beweis, dass er sich nicht täuschte. Zwei Mal tauchte allein das Wort »Grad« auf, auch die Buchstabenfolge »min« erschien zwei Mal, außerdem einmal »ost« und möglicherweise auch »nord«. Dann musste er allerdings das »bin« streichen, das er glaubte, isoliert zu haben.
    Amadeo zögerte. Beim »sea« war er sich ebenfalls unsicher. Irgendwie passte das Wort recht gut, wenn man sich vorstellte, wie einige Babylonier dem Mitbringsel des Gottesboten nicht so recht trauten und es daraufhin irgendwo versteckten - an einem fremden Ort eben. Ein Ort wurde gesucht, ein Versteck, und warum sollte sich dieses Versteck nicht an der s ea , am Meer, befinden? Vielleicht sogar unter Wasser. Die historische Stadt Babylon hatte im Landesinnern gelegen, aber nur ein- oder zweihundert Kilometer von
der Küste entfernt. Auch in der Antike keine unüberbrückbare Entfernung - und in altbabylonischen Augen mit Sicherheit ein fremder Ort , wie Einstein behauptete.
    Doch »sea« war ein englisches Wort, »Grad«, »ost« und »nord« dagegen waren deutsch. Einstein hatte die letzten Jahre seines Lebens in den Vereinigten Staaten verbracht, doch seine Muttersprache war das Deutsche gewesen.
    Amadeo beschloss, das Meer einstweilen in seinen Ufern zu lassen, und notierte: » e b Grad b a min b E s b i nord ab(?) Grad ei(???) min c h s e a ost«. Er betrachtete sein Werk. Beim »ei« und beim »ab« hatte er noch seine Zweifel, doch grundsätzlich ergaben nun fünfundzwanzig der neununddreißig Buchstaben einen Sinn.
    Die große Frage war, worin dieser Sinn bestand. Was hatte es mit den mindestens vierzehn Zeichen auf sich, die er noch nicht zu deuten wusste?
    »Wo im Norden?«, murmelte Amadeo. »Wo im Osten?«
    Plötzlich sog er die Luft ein.
    Hätte Einstein es exakter ausdrücken können? Grad , da stand es klar und deutlich. Grad, das war das Stichwort!
    Ein Kreuzworträtsel, hatte Fabio Niccolosi gesagt. Ja, es war ein Kreuzworträtsel, im wahrsten Sinne des Wortes! Senkrecht und waagerecht, Längen- und Breitengrade und ihre feinsten Unterteilungen!
    »xy Grad, xy Minuten, xy Sekunden«, flüsterte Amadeo. In diesen Einheiten gab man Positionen an! Beim Militär, in der Seefahrt … Jede Navigationssoftware, jede Kartendarstellung arbeitete letztendlich nach diesem System. Zweimal Grad hatte Amadeo

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