Das Babylon-Virus
muss sich das anfühlen: zwei Zentimeter dickes Leimholz, mit Wucht vor den Schädel geknallt.
Mühsam rang er um Fassung, suchte nach Worten - doch er kam nicht zum Sprechen.
Ein Geräusch war plötzlich in der Luft. Ein Geräusch, das an den Wind erinnerte, wenn er an unfreundlichen Herbsttagen heulend den Tiber aufwärts fegte und in Trastevere die leeren Mülltonnen scheppernd durch die Straßen trieb. Und ein zweites Geräusch.
Schüsse.
Schüsse aus der Tiefe.
Roh rempelte ihn jemand beiseite. Amadeo stolperte, ging in die Knie. Direkt neben ihm wurde eine zweite Gestalt zu Boden gestoßen: Görlitz.
Militärstiefel, die an ihnen vorüberpolterten, zur Brüstung stürmten. Stoltenbeck, der Befehle brüllte.
»Was ist das?« Görlitz schüttelte sich.
Amadeo versuchte sich aufzurichten, doch eine unsichtbare Pranke stieß ihn zurück. »Sie bleiben unten!« Verholens Stimme.
»Das ist ein Angriff«, murmelte Amadeo. Er brauchte Sekunden,
bis er begriff, was das bedeutete. Ein Angriff. Der Turm befand sich in Stoltenbecks Hand, und nun wurde er angegriffen. Von den Aufständischen? Warum hätten sie dann überhaupt erst zulassen sollen, dass die ISAF-Männer das Monument betraten?
Aber wer sollte es sonst sein? Amadeos Herz begann zu rasen. Rebecca! Aber Rebecca war tot, begraben unter den Trümmern des Labyrinths.
Gab es dafür einen Beweis?
»Ausgeschaltet?« Stoltenbecks Stimme war ganz nahe, doch Amadeo wusste, dass er nicht mit ihm sprach. »Sie sagen, Sie haben sie ausgeschaltet?« Vorsichtig drehte er sich um. Der General hatte sich vor Verholen aufgebaut, der ihn um einen halben Kopf überragte. »Das nennen Sie ausgeschaltet ?«
Der Blonde biss die Zähne zusammen, erwiderte keine Silbe.
Stoltenbeck fuhr herum, kniff die Augen zusammen. »Sie!« Sein Blick durchbohrte Amadeo, dann dessen Kollegen. »Aufstehen! - Alle beide! Machen Sie sich keine Illusionen, dass Sie hier irgendwie rauskommen! Wenn Sie irgendeine Hoffnung haben, dann bin ich Ihre Hoffnung. Tun Sie exakt, was ich Ihnen sage, und Ihnen passiert nichts. Machen Sie irgendeinen Fehler, dann …«
»Und was sagen Sie uns exakt?«, erkundigte sich Görlitz, der an Amadeos Seite in die Höhe gekommen war. Was man ihm auch vorwerfen konnte, Mangel an Schlagfertigkeit jedenfalls nicht.
Der General starrte von einem zum anderen. »Das Heilmittel«, sagte er knapp. »Ich will das Heilmittel.« Sein Blick fand die Mitte zwischen den beiden: die Thronbank, Amadeos Azubi. »Sie kennen den Mann? - Reden Sie mit ihm!«
Amadeo fuhr sich über die Lippen, wandte sich um.
»Fabio?«, fragte er vorsichtig.
Keine Reaktion.
Zögernd trat er auf die Sitzbank zu. »Fabio? Hörst du mich?«
»Ich denke mal, das kannst du dir sparen.« Görlitz stand zwei Schritte hinter ihm. »Er ist nicht mehr in Betrieb.«
Fragend sah Amadeo ihn an.
»Der General hat den Stecker gezogen.«
Verkrampft lag Stoltenbecks Hand auf dem Saum seiner Uniformjacke, öffnete, schloss sich wieder, Zentimeter über dem Pistolenholster. Sein Blick fixierte Görlitz. »Den Stecker?«, fragte er mit gefährlich leiser Stimme.
»Überlegen Sie doch mal! Ein Mechanismus komplizierter als der andere - und als Krönung ein popeliger Kurzschluss?« Amadeos Kollege klang erfreut, seine Erkenntnis loswerden zu können. Von dem Schwert, das über seinem Haupte schwebte, schien er nichts zu bemerken. »Oh, bestimmt war das irgendwie vorgesehen - aber nur als Sicherung, falls die falschen Leute auf der Matte stehen. Diejenigen, die nicht an das Heilmittel kommen sollten.« Er nickte dem General zu. »Et voilà: Quod erat demonstrandum. «
»Herr General?«
Stoltenbeck fuhr herum. Einer seiner Soldaten. »Herr General, uns ist etwas aufgefallen da unten.«
Stoltenbeck straffte sich. »Sie ziehen sich zurück?«
Der Soldat schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Seltsamerweise nicht. Dabei haben sie kaum Feuerkraft, abgesehen von ihren Raketen. Sie haben keine Chance, die Brücke …«
Mit einer Handbewegung schnitt der General ihm das Wort ab.
»Keine Chance«, murmelte er. »Und trotzdem machen sie
weiter. Zu welchem Zweck? - Geben Sie mir das Fernglas!« Er rupfte dem Soldaten seinen Feldstecher aus der Hand, trat an die Brüstung. »Die Afghanen. Aber nicht allein. - Merthes«, murmelte er düster. »Ich hätte es wissen müssen. Doch ich sehe keine der beiden Frauen.« Er setzte das Fernglas ab. »Sie könnten bereits gefallen sein, oder aber…« Sein
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