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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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nicht sprechen konnte.
    Seine Eltern hatten ihm später erzählt, dass es drei Tage
gedauert hatte und dass man diesen Zustand Wachkoma nannte. Jemand, der im Wachkoma lag, kriegte nichts mit. Normalerweise. Man kriegte nicht mit, wie die Krankenschwestern sich unterhielten, als wäre man überhaupt nicht da, während sie doch gerade dabei waren, einem frische Windeln anzulegen. Man kriegte nicht mit, wie die eine von ihnen, die, die immer ein bisschen nach Pesto roch, jedes Mal von ihren Nachbarn erzählte, die wieder die ganze Nacht irgendwas miteinander angestellt hatten. Dieselbe Frau war es dann auch, die - wieder beim Windelnwechseln - eine Bemerkung machte über Fabios ja wohl nun wirklich winzigen …
    Das hatte ihn aus irgendeinem Grund dermaßen aufgeregt: Zwei Stunden später hatte er aufrecht im Bett sitzen können, und nach ein paar Wochen war er wieder zur Schule gegangen. Nur das mit dem Eishockey hatte er sich geschenkt seitdem. Bis heute stellte er den Fernseher ab, wenn da über ein Spiel berichtet wurde.
    Ein Wachkoma.
    Genauso fühlte es sich an.
    Wieder konnte er sich nicht erinnern, wie es passiert war. Er hatte versucht zu schlafen in seinem Blechcontainer im Camp, sich geärgert, dass Alyssa nicht hier bei ihm war, sondern nebenan bei ihrer Schwester - und dann war draußen das Getöse losgegangen. Wie er nach draußen gestolpert war, zur Barrikade, hatte er noch vor Augen. Ein Panzer und Reiter und Schüsse und …
    Und dann musste ihn irgendwas getroffen haben.
    Der Rest war verschwommen.
    Zwischendurch war er noch mal aufgewacht, und irgendwie hatte es geschwankt unter ihm, obwohl er nicht mal stand, sondern auf irgendetwas lag. Ja, und er erinnerte sich, dass er geniest hatte. Die Grippe, hatte er gedacht. Jetzt also doch.

    Und von da an war alles undeutlich. Er konnte nicht sagen, ob es echte Erinnerungen waren oder ein sehr, sehr seltsamer Traum von einem großen Fluss und einer Stadt mit lauter ockerfarbenen Häusern und einem sehr hohen Turm. Und Leuten, die mit ihm gesprochen hatten in einer Sprache, die er nicht kannte.
    Und die er trotzdem verstanden hatte.
    Der capo .
    Erst da wurde es wieder deutlicher. Plötzlich stand sein capo vor ihm. Fabio war nicht überrascht. Er hatte gewusst, dass dottore Fanelli irgendwann kommen würde, um ihn hier rauszuholen - wo auch immer hier sein mochte. Auf den capo war Verlass.
    Und jetzt ging es eine Wendeltreppe runter. Vor Fabio war der Rücken eines Mannes, der eine Tarnuniform trug. Der capo musste Soldaten aus dem Camp mitgebracht haben. Hinter Fabio war noch einer. Der Junge spürte eine Hand auf seiner Schulter, die sicher nicht dottore Fanelli gehörte. Der hätte nicht so fest zugedrückt.
    Der capo … Aber wo war Alyssa? Seltsam: Erst jetzt konnte er wieder richtig an sie denken. Fabio spürte, dass irgendwas anders war als in den letzten Tagen. Stunden? Wochen? Etwas hatte sich verändert, als die Soldaten ihn hochgezogen hatten aus diesem seltsamen Stuhl, auf dem er ziemlich lange gesessen haben musste.
    Fabio merkte, dass sein Hintern wehtat vom langen Sitzen, seine Oberschenkel. Er spürte, wie seine Füße Schritte machten auf den Stufen der Wendeltreppe. Das war neu, ein kleines bisschen wie damals im Krankenhaus.
    Der Soldat vor ihm blieb plötzlich stehen. Ein Ruck an Fabios Schulter.
    Und dann war der Soldat verschwunden und stattdessen …

    Der Mann war ein Priester. Er war schwarz. Er trug eine Soutane - und eine Pistole. Und er schoss.
    Auf einmal war überall Geschrei, Geräusche. Ich kann hören, dachte Fabio. Doch im selben Moment war die Hand auf seiner Schulter verschwunden.
    Ein Stoß, er stolperte - die Stufen, es waren nur noch eine oder zwei, aber er konnte sich nicht abstützen. Sein Knie! Uniformen, überall und Schüsse und …
    Alyssa.
    Der Junge erstarrte.
    »Alyssa!« War das wirklich zu hören? Fabio selbst hörte es. »Alyssa!«
    Sie duckte sich hinter eine niedrige Mauer, ein Treppengeländer, und sie hatte eine Pistole. Sie schoss! Sie schoss auf die ISAF-Männer, die Männer des capo !
    »Nein!« Ja, das war seine Stimme, aber sie nuschelte. »Alyssa, nein!«
    Er sah, wie ihre Augen in seine Richtung gingen, und einen Moment lang …
    Alles geschah auf einmal: die Soldaten, die versuchten, die Treppe runterzukommen. Eine Gestalt, die sie beiseiteschubste. Eine Gestalt, die kein Soldat war: ein Mann mit blonden, nein, mit weißen Haaren. Fabio kannte den Mann! Er hatte ihn nur ganz kurz gesehen an der

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