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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Turmfassade auf: Boden-Boden-Raketen.
    Im selben Moment sah Rebecca die blitzende Reflexion, mit der der Kagi-Nawa durch die Luft segelte. Sie hielt den Atem an. Über die ersten Schüsse hinweg glaubte sie das matte Klonk zu hören, mit dem der Wurfanker auf Stein traf.
    Vorsichtig holte Duarte das Seil ein, Meter um Meter, bis er auf Widerstand stieß. Ein probeweiser Ruck, dann legte
er sich mit seinem ganzen Gewicht in die geflochtene Leine, sekundenlang, gab schließlich ein zufriedenes Grunzen von sich. Sorgfältig begann er die überschüssigen Seilmeter aufzuspulen, bis die Verbindung zum Turm straff gespannt war. Mit einem sehr endgültigen Geräusch rastete an der Kabelrolle ein Mechanismus ein.
    Duarte nickte den beiden Frauen zu, holte tief Luft und umklammerte mit beiden Händen das Seil. Ohne ein Wort löste er seine Füße vom Boden und ließ seinen Körper nach vorn schwingen. Das Seil spannte sich unter seinem Gewicht, doch die Konstruktion hielt. Eine Hand um die andere begann er sich vorzuhangeln, auf den Abgrund zu. Alyssa wartete, bis er die ersten Meter hinter sich hatte, dann war sie an der Reihe. Die Leine, die ihren Körper mit dem ihrer Schwester verband, straffte sich, und … Jetzt!
    Mit aller Kraft stieß Rebecca sich vom Felsen ab, bekam das Seil zu fassen. Sofort spürte sie den Zug in ihren Schultern, fühlte, wie ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Ihre Augen waren starr auf den Rücken ihrer Schwester gerichtet, die sich mit geschickten Griffen vorarbeitete.
    Quälend langsam kamen die undeutlichen Formen der Turmarchitektur näher. Duarte war weitere vier, fünf Meter vor Alyssa. Er hatte die Hälfte der Strecke jetzt hinter sich und die steinerne Balustrade erreicht, den Rand des Abgrunds.
    Rebecca drehte den Kopf. Lichtblitze hinter der Turmfassade, Sperrfeuer von Stoltenbecks Männern. Die Soldaten des Obersts erwiderten die Schüsse. In zwei Gruppen hatten sie sich seitlich der Brücke postiert, während die Aufständischen den mittleren Abschnitt übernommen hatten. In leuchtenden Bahnen stiegen die Raketen auf. Die Artilleriegeschosse waren ein entscheidender Bestandteil des Plans. Merthes mit seiner Handvoll Figuren hätte den Männern
an der Brücke unmöglich einen ernsthaften Angriff weismachen können.
    Eine der Raketen, zu hoch gezielt, rammte die Fassade des Turms, keine dreißig Meter von Rebecca entfernt. Nicht gefährlich nah - aber gefährlich hell . Eine halbe Sekunde lang wurden die Menschen am Seil in grelles Licht getaucht. Fluchend steigerte Rebecca ihr Tempo.
    Die Balustrade. Jetzt hatte auch sie die steinerne Brüstung erreicht. Halbzeit, aber hier begann die albtraumhafte Hälfte. Dies war der letzte Augenblick, sich fallen zu lassen - doch damit hätte sie auch ihre Schwester und den commandante in die Tiefe gezerrt, und die befanden sich längst über der zuckenden, zirpenden Finsternis.
    Rebeccas Hände waren nahezu gefühllos, als sie die Brüstung mit zwei entschlossenen Griffen hinter sich ließ. Die Dunkelheit war unter ihr. Sie musste den Blick nicht senken, sie wusste es. Hypnotisierend hielt sie die Augen auf die verschnörkelte Fassade des Turms gerichtet, erkannte jetzt, wo sich der Wurfanker verfangen hatte: an einem verzierten Türmchen knapp oberhalb eines Fensters. Waren Stoltenbecks Männer komplett auf der Brücke konzentriert? Jeden Augenblick konnte in diesem Fenster ein Gesicht auftauchen, der Lauf einer Waffe. Nicht denken! Eine Hand vor die andere.
    Eigentlich gab es nur einen echten Albtraum in ihrem Leben. Sie kannte ihre Angst vor großen Höhen, und bis vor einer halben Stunde war sie davon überzeugt gewesen, dass es keinen größeren Horror geben konnte als abzustürzen und zu wissen, dass man ein paar hundert Meter tiefer auf massivem Fels aufschlagen würde, und übrig bliebe ein Haufen aufgeplatztes Aas. Erst jetzt begriff sie, dass noch eine Steigerung möglich war: vergleichsweise weich zu landen, in einem Pfuhl aus wimmelndem Chitin.

    Aas, das noch lebte, dachte sie. An ihrer Hüfte spürte sie den Druck ihrer Pistole. Wenn sie fiel … nein, die hungrigen Biester würden sie nicht lebendig kriegen.
    Der Turmkörper schnitt sie nun von den aufblitzenden Lichtern des Gefechts ab. Duarte war nur schemenhaft zu erkennen, als er die Hand ausstreckte, Halt suchte an der Fassade. Rebecca erlaubte sich ein ganz leichtes Aufatmen. Die Nächste würde Alyssa sein, und dann …
    Plötzlich wieder die Lichtspur einer Rakete. Sie

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