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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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alle spürten diese Hilflosigkeit. Selbst Görlitz hielt im Augenblick den Mund.
    Alyssa war blass, als wäre schon kein Leben mehr in ihr, doch noch bewegten sich ihre Lippen, ohne dass ein Wort hörbar gewesen wäre. Rebecca hatte Verbandsmaterial zum Vorschein gebracht, versuchte die Blutung zu stillen. Binnen Sekunden waren die Verbände vollgesogen mit leuchtendem Scharlach.
    Fabio kniete über der Verletzten, seine Hände auf ihrer Brust, als könnte er sie festhalten, sie daran hindern, an einen Ort zu gehen, an den ihr niemand folgen konnte. Auch seine Lippen bewegten sich, auch er blieb stumm dabei. Ein gespenstisches Bild. Wie eine Schleife in der Zeit, die sich auf ewig zu wiederholen schien.

    Das Blut, ein dünnes Rinnsal, mit dem Alyssas Leben …
    Ein dünnes Rinnsal.
    Rebecca schubste die vollgesogene Gaze beiseite, drückte in derselben Bewegung eine frische Kompresse auf. Rot, blutiges Rot sickerte ein, doch es sickerte langsamer.
    Noch immer dasselbe Bild. Fabio, der über der Verletzten kniete, Rebecca, die sich nicht bewegte, Amadeos Hand, die auf ihrer Schulter lag.
    Plack!
    So hörte es sich an, in die Stille hinein.
    Ein Comicgeräusch, dachte Amadeo. Wie beim Kater Sylvester und dem Schwein, an dessen Namen er sich noch immer nicht erinnern konnte.
    Trotzdem hob er die Augen und blickte genau auf die Fensterhöhlung: auf einen seltsamen Gegenstand, der sich in den Stein gehakt hatte und im ersten Moment an eine metallene Luftpumpe mit langen, gebogenen Stacheln erinnerte.
    Rebecca bewegte sich. Sie musste gespürt haben, wie sich seine Haltung veränderte, folgte seiner Blickrichtung - und erstarrte.
    »Ein kagi-nawa !«, flüsterte sie.
     
    »Irgendwie macht der Junge mir Angst«, murmelte Görlitz. »Ist der immer so?«
    »Für Überraschungen war er schon immer gut«, sagte Amadeo leise.
    Was genau hatte Fabio Niccolosi getan in den Minuten, in denen seine Hände auf Alyssas Brust gelegen hatten?
    Die blonde Frau saß aufrecht am Boden, den Rücken gegen ihre Schwester gestützt und die Lider geschlossen. Sie sah noch immer aus wie der Tod, doch die Blutung war tatsächlich zum Stillstand gekommen. Wenn Rebeccas Pressverband
sie nicht erwürgte, hatte sie womöglich doch noch eine Chance.
    Sie alle hatten vielleicht noch eine Chance.
    Der kagi-nawa hatte sich im Rahmen des Fensters verhakt. Ein schmales Seil war an ihm befestigt, das in die Dunkelheit führte, auf die schemenhaft erkennbare Felswand zu. Irgendetwas - irgendjemand - schien sich dort zu bewegen.
    Doch ihr Rettungsanker schillerte im bösartigen, tödlichen Glühen der wiedererwachten babylonischen Elektrizität.
    Das Bild Verholens, gefangen als lodernde Fackel inmitten des Energieschilds, hatte sich Amadeos Gedächtnis für alle Zeiten eingebrannt. Er verstand nicht, warum er selbst und Görlitz nicht ebenfalls tot waren, doch er würde den Teufel tun, Anker oder Fenster freiwillig zu berühren.
    Genau das aber tat Fabio Niccolosi.
    Die Finger des Jungen folgten den Konturen der Fensterlaibung, aufwärts, abwärts, von der Mitte zum Rand und umgekehrt. Amadeo war sich nicht sicher, aber er glaubte einen komplizierten Rhythmus zu erkennen. Und die ganze Zeit bewegten sich Fabios Lippen, lautlos fast.
    Aber eben nur fast .
    Amadeo lauschte, versuchte alles andere auszublenden: das stetig zunehmende Knirschen im Gemäuer, mit dem sich größere und größere Teile der Konstruktion aus dem Verbund lösten. Den anschwellenden Lärm, mit dem sich Stoltenbecks Verstärkungen näherten. Er versuchte, nur auf Fabios Worte zu horchen. Waren es Worte?
    Magie , dachte er. Zauberei. Oder doch etwas ganz anderes?
    Amadeo war Anleitungsleser: Viermal Schraube F mit Unterlegscheibe G durch die Bohrungen in Teil B. Das war seine Welt.
    Ganz genauso hörte sie sich an, die babylonische Magie.
Es war, als versuchte sich Fabio eine Gebrauchsanweisung ins Gedächtnis zu rufen. Eine Anleitung in einer Sprache, deren Klang die Welt seit fünftausend Jahren nicht mehr gehört hatte.
    Was um alles in der Welt hatten sie mit dem Jungen angestellt?
    Fabio ächzte. Zischende, flüsternde Laute von seinen Lippen, etwas, das klang wie … e-kur-kur ! - e-kur-kur ! Eine heftige Armbewegung, als wollte er unsichtbare Fensterflügel aufstoßen. E-kur-kur !
    Er taumelte zurück. Das elektrische Flimmern … es war fort.
    Mit pochendem Herzen näherte sich Amadeo dem Fenster, spähte hinaus. Nein, die Fassade changierte noch immer in jenem bedrohlichen

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