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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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nicht sicher, welche seiner Fragen der Mann beantwortet hatte - vielleicht ja beide -, aber auf jeden Fall konnte er sprechen.
    »Ich hatte überlegt, ob Sie mir vielleicht helfen können«, sagte Amadeo vorsichtig. Keine Reaktion. Er biss sich auf die Lippen. Jetzt durfte er auf keinen Fall locker lassen. Irgendwie musste er den Mann neugierig machen. »Ich begreife das nicht«, murmelte er. »Habe ich wirklich ein dermaßen außergewöhnliches Anliegen, dass mir niemand … naja …« Er sah selbst hinaus auf das Wasser, ließ den Satz im Ungefähren stehen.
    Ganz langsam drehte der Angler sich um. Er war älter, als Amadeo im ersten Augenblick gedacht hatte, an die siebzig bestimmt. Ein Netz von Falten um seine Augen schien von einem Leben zu erzählen, das sich vor allem unter freiem Himmel abgespielt hatte. Der Alte betrachtete den Restaurator mit einem Gesichtsausdruck, aus dem, nein, nicht Misstrauen, das war zu viel gesagt, aber auf jeden Fall Wachsamkeit sprach. Und er machte keinen Versuch, das zu verbergen.
    Für einen Ort, der vom Fremdenverkehr lebt, ist die einheimische
Bevölkerung nicht sonderlich aufgeschlossen Fremden gegenüber, dachte Amadeo düster. Aber vielleicht schalten sie ja einfach nur um vom einunddreißigsten Oktober auf den ersten November.
    Der Blick des Anglers war wieder bei Amadeos Gesicht angekommen. Ganz leicht schüttelte der Alte den Kopf.
    Amadeo biss sich auf die Lippen. Der Mann wusste noch nicht mal, was er überhaupt von ihm wollte! »Ich bin auf der Suche nach einem Boot«, erklärte der Restaurator. »Ich würde gerne eins mieten, nur für ein, zwei Stunden.«
    Der Angler hob die Augenbrauen. »Jetzt? Im November?«
    Amadeo biss die Zähne zusammen. »Jetzt. Heute.« Er nickte.
    Der alte Mann stand umständlich auf, holte ein Zigarettenetui aus der Jackentasche und zündete sich eine an. »Das können Sie sich sparen. Drüben im Bootsclub haben sie welche, für die Sie keinen Führerschein brauchen. Aber nur …«
    »Nur in der Saison, schon klar. Ich hab mich erkundigt.« Amadeo versuchte freundlich zu bleiben, aber das war eine Herausforderung.
    Sollte er dem Mann erzählen, dass das Leben eines Menschen davon abhing, dass er ein Boot bekam? Klang das zu dramatisch? Aber Helmbrechts Leben stand nun mal tatsächlich auf dem Spiel. Lesen, lösen, herbringen, das war alles, was Amadeo für ihn tun konnte. Schließlich wollte er keine Vergnügungstour machen!
    »Es muss doch irgendjemanden geben in diesem … diesem Dorf , der mir ein Boot vermietet! Von mir aus auch privat, das ist mir egal.«
    Der Wind trieb Regen heran - keinen Wolkenbruch, aber die Sorte von Niesel, der durch jede Art von Kleidung drang. Amadeo schniefte.

    Sofort veränderte sich der Blick des Alten. Amadeo hatte den Eindruck, als ob er einen Schritt zurückwich. Aber das war nicht möglich. Sie standen direkt an der Kante des Landungsstegs.
    »Ich bin gesund«, sagte der Restaurator rasch. »Das Wetter ist einfach …«
    »Ebend.« Der Mann sprach das Wort mit einem d am Ende. »Da vermietet Ihnen kein Mensch ein Boot.«
    Er wandte sich ab, blickte wieder hinaus auf das Wasser. Das Gespräch schien beendet, doch dann kratzte er sich nachdenklich am Kopf. »Sie könnten höchstens eins kaufen.«
    Amadeo klappte der Unterkiefer runter. »Ich soll ein Boot kaufen?«
    Der Alte hob die Schultern. »Sie müssen ja nicht. Ist ja wirklich kein Wetter heute. Aber ich hätte zufällig eins im Angebot.«
     
    Sturmkönigin , ein stolzer Name für ein stolzes Schiff.
    Am Heck dieses Seelenverkäufers nahm er sich geradezu lächerlich aus. Eine Kabine gab es nicht, die Sturmkönigin war ein offenes Holzbötchen mit Ruderbänken für zwei, maximal vier Personen. Der Motor war nachgerüstet worden, zu Einsteins Zeiten vermutlich.
    Amadeo beobachtete, wie der Landungssteg mitsamt dem rüstigen Herrn Fernwaldt hinter ihm zurückblieb. Fernwaldt , mit diesem Namen hatte der Alte sich vorgestellt und die Kaufsumme quittiert.
    Amadeo hatte gerade ein Boot gekauft.
    Er fragte sich, wann genau während der vergangenen vierundzwanzig Stunden er eigentlich den Verstand verloren hatte.
    Wenigstens hatte Fernwaldt seine Bereitschaft erkennen
lassen, die Transaktion im Anschluss rückgängig zu machen. Für den Fall, dass Amadeo denn tatsächlich zurückkam. Was dann passieren würde, konnte der Restaurator sich schon ausrechnen: Die Bootspreise am Schwielowsee würden natürlich spontan ins Bodenlose gefallen sein.
    Trotzdem:

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