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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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identisch: die Grippe. Die Seuche von Babel!«
    Amadeo starrte ihn an. »Sie haben das tatsächlich gewusst?«
    »Dazu kommen wir noch.« Der Professor winkte ab, hob stattdessen die vergilbten Blätter an. »Ist Ihnen klar, was das hier bedeutet?«
    Amadeo nickte. »Ein Gelehrtenspiel«, sagte er leise. »Weitergegeben von Generation zu Generation. Von Goethe an Einstein, von Einstein an Sie. Sie hätten mir wenigstens schreiben können, welche Codes Sie schon durchprobiert hatten in den letzten fünfzig Jahren!«
    »War nur zu Ihrem Besten«, brummte der alte Mann. »Sie sollten unvoreingenommen rangehen. Und es hat doch funktioniert, oder? Ansonsten haben Sie recht: ein Gelehrtenspiel. Zugegeben, das ist eine unerwartete Verzögerung.«
    »Verzögerung?«
    »Na, es war nicht das Heilmittel, das am Ende auf Sie gewartet hat, sondern dieser Goethe-Wisch hier.«
    Amadeo starrte den alten Mann an. Er konnte nicht glauben, dass die Stimmbänder des Professors in der Lage sein sollten, eine solche Despektierlichkeit über sein literarisches Idol hervorzubringen.
    »Ja, eine schmerzhafte Verzögerung«, murmelte der Professor. »Aber eben doch nur eine Verzögerung. Wir müssen die Spur zurückverfolgen, immer weiter zurück. Bis an den Beginn. Bis nach Babylon selbst vielleicht. Bis zum Heilmittel.«
    »Sie glauben ernsthaft, es gibt dieses Heilmittel wirklich?«
    Der alte Mann verdrehte die Augen. »Mein lieber Amadeo, da wandeln Sie tagelang auf den Spuren eines der größten mathematischen Genies der Geschichte, und dann hakt
es beim lumpigsten Dreisatz? Gab es eine Seuche? Positiv. Ist die Menschheit damals ausgestorben? Negativ. Conclusio: Irgendeine Substanz hat die Menschen geheilt. Vulgariter: ein Heilmittel .«
    »Und Sie denken …«
    »Würde ich nicht denken, wär’ ich die falsche Adresse gewesen für Einstein«, knurrte der alte Mann. »Ist Ihnen überhaupt klar, was das für eine ungeheure Tradition ist, in der wir beide jetzt stehen? Der exklusivste Club der Geschichte! Ein genialer Gelehrter am nächsten, und kein Mensch hat all die Jahre geahnt …« Helmbrecht hielt inne, blickte auf den Türrahmen. Irgendwo, weit entfernt, war ein gedämpftes Klappern zu hören. Offenbar kämpfte Rebecca noch mit der Kaffeemaschine.
    »Ihre Freundin?«, murmelte der Professor.
    »Ja«, sagte Amadeo. »Sie haben sie gerade Kaffeeholen geschickt.«
    »Sie wollen mir doch nicht etwa sagen, Rebecca weiß Bescheid über alles?«
    Der Restaurator nickte. »Wir haben keine Geheimnisse vorein …« Er schüttelte den Kopf. »Jedenfalls habe ich keine Geheimnisse vor ihr. Übrigens haben wir uns vor einer Stunde erst getroffen, hier in Weimar. Da wollte sie gerade in Ihr Haus einbrechen.«
    Helmbrechts Nickelbrille hob sich um einen halben Zentimeter. »Von jetzt an kein Wort mehr an irgendjemanden!«, schärfte er Amadeo ein. »Diese Angelegenheit ist zu wichtig. Sie wissen, wie sehr ich Ihre Freundin schätze, doch Sie wissen auch, welche Kontakte sie besitzt. Außerdem ist sie eine Frau.«
    Amadeo hüstelte.
    »Die Frau ist ein mas occasionatus laut Thomas von Aquin«, murmelte der Professor. »Ein unvorhergesehener
Zwischenfall beim Zeugungsvorgang. Kommt immer wieder vor, ist auch erfreulich, aber eben nicht ohne Risiken. Also, bitte, gehen Sie keins ein.«
    »Es geht Ihnen mit Sicherheit besser?«, erkundigte sich Amadeo.
    »Sie wissen genau, wie ich das meine«, brummte der alte Mann. »Das Geheimnis der Babylon-Geschichte ist seit Jahrhunderten weitergegeben worden, von einem großen Geist zum nächsten. Wer weiß, wie lange das geheim geblieben wäre, wenn eine Frau …«
    »Wo ist eigentlich Ihre Frau?«
    Helmbrecht brach ab. »Bei ihrer Mutter«, sagte er knapp. »Auf Usedom. Für den Fall, dass sie krank wird.«
    »Sie haben die Grippe, und Ihre Frau fährt weg, um ihre Mutter zu pflegen, die noch gar nicht krank ist? Oder meinten Sie, falls Ihre Frau selbst …«
    Unwirsch winkte der Professor ab. »Ist doch gleichgültig, wer jetzt krank ist. Wichtig ist der neue Text. Und, bitte: von jetzt an Diskretion!«
    Amadeo biss sich auf die Zunge und schluckte seine Erwiderung herunter, dass es schließlich ihm, Amadeo Fanelli, gelungen war, Einsteins Code zu knacken - und nicht etwa dem Professor, der sich ein halbes Jahrhundert daran versucht hatte. Bei Amadeo lag die Verantwortung, bei ihm und einzig und allein bei ihm. Welche Dimensionen dieses Unternehmen annehmen würde, war noch unabsehbar, aber er würde den

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