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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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- es ist nur eine Reproduktion. Eine sehr, sehr gute allerdings.«
    Amadeo kniff die Augen zusammen, versuchte die Zeichen zu entziffern - doch es war Jahre her, dass er sich mit den Keilschriften des Zweistromlandes beschäftigt hatte. »In diesem Text wird von der Krankheit berichtet?«
    Helmbrecht hob die Schultern. »Ich habe nicht die geringste
Ahnung. Vermutlich weiß das zu diesem Zeitpunkt niemand, und im Moment hat wohl auch kein Mensch die Muße, sich eingehender damit zu beschäftigen. Außer mir natürlich. Dieser Text ist wahrscheinlich wesentlich älter als jede uns bisher bekannte Schrift. Er wurde, zusammen mit zig weiteren vergleichbaren Tafeln, am zwölften August dieses Jahres von einem amerikanischen Ausgrabungsteam unweit von Al Hillah gefunden - am äußersten Rand der Ruinenstadt, die man heute als Babylon bezeichnet. Und damit fing es an.«
    »Die …« Amadeo stutzte. »Die Archäologen sind auf die Ruinen des Turms von Babel gestoßen? Ich dachte, die wären längst identifiziert und vermessen und …«
    »Auf jeden Fall sind sie auf etwas gestoßen, das vergleichbar alt ist, wenn es verseucht war mit dem Virus. Doch genau das war ja die Frage. Das musste ich natürlich prüfen.«
    »Sie …« In Amadeos Hirn keimte ein unglaublicher Verdacht. »Sie haben …«
    »Ich habe ein bisschen rumtelefoniert«, gab der Professor zu. Versonnen strichen seine gichtigen Finger die Konturen der Keilschriftzeichen nach. »Von den Ausgrabungen wusste ich schon seit einiger Zeit, aber Mesopotamien ist ja nicht mein Spezialgebiet. Doch als ich nun diesen Zeitungsartikel las, musste ich plötzlich an den Einstein-Text denken, der irgendwann mal in meinem Briefkasten lag - 1952 oder 53 muss das gewesen sein. Irgendwie schien das, nun, zu passen. Und da kam ich dann ins Grübeln mit der Henne und dem Ei und habe den einen oder anderen Anruf gemacht. Ein akademischer Freund von mir kannte jemanden, der mit diesen Ausgrabungen zu tun hat - von Deutschland aus. Und der wiederum kannte ein paar Leute vor Ort. Sie wissen, wie das ist. Also konnte ich mich ein wenig erkundigen, nach dem Befinden der Mannschaft an der Ausgrabungsstätte,
nach den Ausfällen durch die Grippe. Man war überrascht, dass ich von diesen Ausfällen gehört hatte. Und schließlich hatte ich noch eine kleine Bitte.«
    Rebecca legte die Stirn in Falten. »Diese Ablichtung?«
    Helmbrecht warf ihr einen unfreundlichen Blick zu.
    »Eine Ablichtung hätte mir nicht geholfen«, sagte er leise. »Eine Ablichtung wäre kein Beweis gewesen. Sie hatten so viele Originale dort gefunden - ob nun eins mehr oder weniger … Drei Tage später hatte ich mein Täfelchen.«
    Forschend betrachtete er seine Gäste. Amadeo hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Er wusste, was kommen würde.
    »Und eine Woche später hatte ich die Grippe«, schloss der Professor.
     
    In Helmbrechts Hobbithöhle war es mit einem Mal so still, dass man die unruhigen statischen Entladungen einer seiner Lampen hören konnte, deren Leuchtkörper kurz davor stand, den Geist aufzugeben.
    Ganz so weit war es mit dem Professor selbst noch nicht, doch sein langer Bericht hatte ihn sichtbar angestrengt. Er löste sich von der Arbeitsfläche und humpelte zurück zu seinem Lehnstuhl, ließ sich mit einem dankbaren Seufzen nieder.
    »So, nun wissen Sie Bescheid«, sagte der alte Mann. »Gedenkminute vorbei. Ist sowieso verfrüht. Noch leb ich ja. - Wo ist mein Kaffee?«
    »Sie haben sich mit Absicht angesteckt?«, flüsterte Amadeo.
    Der Professor hob die Schultern. »Denken Sie an Siegmund Freud, der sich mit Vorliebe selbst analysierte. Denken Sie an Johann Wilhelm Ritter, der seinen Körper unter Strom setzte, um der Galvanisierung auf die Spur zu kommen.
Eine wissenschaftliche Pioniertat! Stellen Sie sich vor, was wir von dem Mann für Aufschlüsse hätten gewinnen können, wäre er anschließend noch in der Lage gewesen, vernünftig zu schreiben!«
    »Ich glaube …«, murmelte Amadeo.
    »Oder an John Hunter, der sich den Eiter eines an der Syphilis Erkrankten ins eigene Glied spritzte, um …«
    »… ich hole jetzt den Kaffee«, beendete Rebecca den Satz des Restaurators und hatte den Raum bereits verlassen.
    »Interessant«, sagte Helmbrecht leise. »Gerade kommt mir in den Sinn, dass alle bedeutenden medizinischen Selbstversuche von Männern vorgenommen wurden. Es muss diese ganz besondere Form der wissenschaftlichen Neugier sein, die bei uns einfach stärker ausgeprägt ist,

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