Das Band der Magie
Mahedan noch beruhigen können, die Situation irgendwie in friedliche Bahnen lenken können.
Doch Keelin richtete sich auf - und dann sagte er es wieder, in diesem elektrisierenden Ton: „Mahedan!“ Nur dieses eine Wort, aber es sagte alles.
Hier und jetzt werden wir kämpfen.
Hier und jetzt werden wir die Rangfolge klären.
Hier und jetzt geht es zu Ende.
Hastig warf ich Keelin einen Blick zu. Sein Gesicht war immer noch blutüberströmt von seinem Nasenbluten, das schwarze Geflecht war weiterhin zu sehen, verblasste aber. Ansonsten war er furchtbar weiß im Gesicht und er zitterte am ganzen Leib.
Er war erschöpft. Zu Tode erschöpft.
Auch Mahedan musterte Keelin, dann sah ich so etwas wie Triumph in seinen Augen aufblitzen. Er wusste, dass Keelin nicht kämpfen konnte und witterte seine einzige Chance, jemals gegen ihn gewinnen zu können.
Sofort sah ich, wie er sich straffte, wie die Entschlossenheit in sein Gesicht zurückkehrte. Und dann spulte er eine Rede herunter, die er garantiert seit Jahren vor dem Spiegel eingeübt hatte:
„Keelin! Es mag sein, dass du jetzt wieder ein ganzer Shadun bist. Mag sein. Doch du hast im Vorfeld so viele falsche Entscheidungen getroffen, dass ich dich nicht länger als mein Anführer ansehen kann. Ich bin der Meinung, dass die Shadun nicht zu den Mae oder den Asannen gehören. Wir sind ein Volk, das durch die Länder streifen sollte, wild und frei. Zwischen Mauern eingesperrt zu sein, liegt uns nicht, aber du, dein Vater und Tristan, ihr habt uns zu diesem Leben verbannt.
Es ist jetzt an der Zeit, die Dinge zu verändern. Ich werde unser Volk in die Freiheit führen. Das heißt nicht, dass ich nicht achte, was du für uns getan hast – damals im Krieg und auch danach.
Ich achte dich sogar mehr als jeden anderen Krieger, den ich kenne. Deshalb glaub nicht, dass ich mir die Entscheidung einfach gemacht habe. Aber ich bin ein Mann, der zu dem Weg steht, den er einmal eingeschlagen hat. Also, Keelin …“
Keelins wütendes Zähneknirschen unterbrach ihn kurz, sie starrten einander böse an. Doch wie so oft konnte Keelin gar nicht lange wütend oder aggressiv sein. Das lag ihm ganz offensichtlich nicht im Blut. So überraschte es mich auch nicht sonderlich, dass er noch mal einen Versuch unternahm, die bedrohliche Situation zu entschärfen: „Es gibt immer einen anderen Weg als Gewalt“, erklärte er leise, aber dadurch noch eindringlicher. „Niemand wird dich dafür verachten, wenn du dich mir unterwirfst, jetzt, wo ich wieder normal bin. Im Gegenteil: Jeder konnte deine Argumente nachvollziehen, solange ich nicht bei Sinnen war. Aber jetzt hat sich die Ausgangslage verändert. Mahedan, ich bitte dich!“
Mahedan war ganz offenbar verwirrt über den plötzlichen Stimmungswechsel. Er hatte wohl nicht mit einer Debatte samt Argumenten gerechnet. Keelins Ruhe schien auch ihn etwas zu besänftigen. Seine nächsten Worte klangen nicht mehr wie eine einstudierte, heldenhaften Rede, sondern wie die Worte eines zu allem entschlossenen Mannes: „Du hast nicht zugehört, Keelin. Ich fordere dich nicht heraus, weil ich dich länger für verrückt halte. Ich fordere dich heraus, weil dein gewählter Weg nicht meiner ist.“
„Aber der Weg, den du jetzt wählst, führt dich und deine Familie in den Abgrund. Denk an deine Frau, an deinen Sohn!“
Mich durchfuhr es wie ein Blitz: Natürlich! Wenn Mahedan starb, dann auch seine Frau. Ein schrecklicher, finsterer Gedanke. Wahrlich, Liah hatte echt Recht. Dieser ganze Shadun-Kram war wirklich ziemliche … Geisterkacke.
Noch schlechter ging es mir, als ich sah, dass Mahedan plötzlich mit den Tränen zu kämpfen hatte.
„Genau an die denke ich ja. Ich will nicht, dass mein Sohn als Sklave eines Mae aufwächst. Ich will, dass er frei ist, unter einem starken und gesunden Anführer aufwächst, ein richtiger Shadun wird – und nicht zu solch einem verweichlichten Jugendlichen heranwächst, wie sie zurzeit innerhalb der Festung leben.“
„So etwas nennt man friedliche Zeiten, Mahedan. Es sind Jugendliche, die nicht jeden Tag ums Überleben kämpfen müssen, die ihr Leben genießen können!“
„Es sind Weichlinge!“, schrie Mahedan und beendete damit offenbar das zuvor so ruhige Gespräch. Er zog in der gleichen Sekunde sein Schwert. Innerlich wappnete ich mich, denn ich wusste, was jetzt kommen würde.
„Keelin!“, hob Mahedan abermals feierlich an. „Ich fordere …“
Ich dachte nicht mehr nach. Ich wusste nur:
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